von ResaCardie
Ich hab ganz schwitzige Hände. Gut, dass aktuell keiner mehr Hände schüttelt. Jetzt hoff ich nur, dass mir nicht die Gläser aus der Hand rutschen beim Servieren. Ich bin ja nervöser als an meinem ersten Tag. Da hat wenigstens noch keiner von mir erwartet, dass ich irgendetwas weiß oder kann. Aber jetzt bin ich offiziell ja schon seit sechs Monaten Lehrling in diesem Wirtshaus. Aber nachdem wir so lange zugesperrt waren hab ich das Gefühl ich fang wieder ganz vorne an. Oweh, jetzt winkt mir auch noch der Chef. Da muss ich wohl hingehen. Er macht mir immer ein bisschen Angst, weil er so laut und direkt ist. Ich bin mir nie sicher, ob er mich schimpft oder lobt. Ich steh noch nicht mal wirklich in seiner Näher, fängt er schon an zu schreien. „Valentina! Schau her, da gehört das Gedeck noch gmacht. Und dann kannst das Ketchup noch nachfüllen. Und draußen stellst ma noch den Stehtisch für die Raucher auf.“ Ich will noch nachfragen wo der Rauchertisch denn stehen soll und wo ich das Ketchup zum Nachfüllen überhaupt finde, aber er ist schon davon gestürmt und gibt einem anderen Kellner Anweisungen. Wen frag ich denn da jetzt? Ich zupfe meinen Mund-Nasenschutz zurecht und meine Brille läuft an. Na toll, jetzt kann ich nicht mal mehr was sehen. Vielleicht ist Maria in der Nähe, die ist nett, die kann ich fragen. Aber ich sehe sie nirgendwo. Alle anderen schauen so gestresst aus. Ich will ja niemanden von der Arbeit abhalten. Am besten ich fang mal mit dem Gedeck an, da weiß ich was ich machen soll. Ich bemüh mich alles ordentlich aufzudecken und bin am Ende mit meiner Arbeit durchaus zufrieden. Dann fällt mir das Ketchup und der Rauchertisch wieder ein und die Hände sind augenblicklich wieder mit Schweiß-Handschuhen überzogen. Wo ist denn bloß Maria? Mal überlegen. Ketchup. Kann eigentlich nur in der Küche sein. Aus der Küche schlägt mir lautes Gelächter entgegen. Einer der Küchenhelfer hat sich einen Hygiene-Handschuh auf den Kopf gesetzt. Seine rote Maske baumelt ihm unterhalb vom Kinn. Mit seinen Daumen in den Achseln eingeklemmte hüpft er laut gackernd durch die Küche. Ich räuspere mich. Zuerst reagiert niemand, dann bemerkt mich zufällig einer aus dem Publikum des Hühnchen-Parodisten. Er entschließt sich aber auch gleich wieder mich zu ignorieren. Ich merke wie mein Gesicht rot anläuft und mir die Tränen in die Augen steigen. Da läuft natürlich auch sofort wieder meine Brille an. Ich fühl mich so dumm. Und dann die Erlösung. Maria tippt mir von hinten auf die Schulter und sagt mir, ich soll mit kommen. Sie braucht Hilfe. Ich war noch nie so erleichtert. Gemeinsam erledigen wir alles. Auch meine Aufgaben. Und ehe ich mich versehe trage ich Getränke zu den Tischen. Mineral, Bier, Wein, Aperol und irgendwann vergesse ich zu zählen wie viele Biere ich schon vom Zapfhahn gelassen habe. Die Stimmung ist gut, die Gäste sind glücklich, der Chef is glücklich und ja am Ende bin auch ich glücklich, dass ich endlich wieder arbeiten darf.
© ResaCardie 2021-08-10