07 – Genugtuung

Die Augen des Mannes sind dunkel, fast schwarz, und haben etwas Hypnotisches. Lilly würde gern wegsehen, aber sie kann es nicht. Sie starrt in diesen finsteren Abgrund und kann sich nicht davon lösen.

„Schlag zu“, wiederholt der Unbekannte ruhig.

Die junge Frau schluckt und fühlt sich schrecklich unwohl. Tatsächlich fühlt sich das hier fast noch schlimmer an wie die Situation vor wenigen Minuten. Sie war in einen der Gänge gewesen, weil sie Sandra gesucht hatte und dann war plötzlich der Kerl gewesen. Ehe sie reagieren konnte hatte er sie gepackt. Gepackt und mit sich gezerrt. Er hatte sie geschlagen, sie an die Wand gedrückt und sich zwischen ihre Beine gezwängt. Als er an seiner Hose fummelte, dachte Lilly, dass sie nichts mehr retten konnte.

Doch es kam anders. Er kam, völlig unerwartet. Hier half niemand niemanden, das war ein ungeschriebenes Gesetz. Und doch war der Unbekannte aufgetaucht und hatte den Kerl gepackt und gegen die gegenüberliegende Wand geschleudert als wäre er eine Puppe.

Der unbekannte Helfer verengt die Augen und knurrt. „Schlag zu“, flüstert er bedrohlich.

Die junge Frau schafft es sich von den dunklen Augen loszureißen. Sie sieht zu der geballten Hand, die den Kerl fest am Kragen hat. Plötzlich erkennt sie ihn, das ist der „Lappen“ den Sandra vorhin bedient hatte.

„Schlag ihn“, fordert der Mann wieder.

Die Frage „Warum?“ liegt ihr auf den Lippen, aber sie stellt sie nicht. Lilly stellt stattdessen eine andere: „Wo ist sie? Wo ist Sandra?“

Der Lappen grinst, ekelhaft und schmierig.

Die junge Frau spürt, wie in ihrem Inneren etwas passiert. Etwas Unbekanntes meldet sich. Eine unfassbare Wut kocht hoch. Wut, heiß und brennend, die raus möchte.

Der Lappen lacht, gehässig und herablassend während ihm Rotz und Blut aus der Nase tropft.

Lilly schlägt zu. Mit der Faust direkt in das lädierte Gesicht des Kerls. Er heult auf vor Schmerz, und sie schlägt wieder zu. Und wieder. Und wieder. Sie hat die Kämpfe in der Arena nie angesehen. Die Gewalt die dort zelebriert und zur Schau gestellt wird, ist ihr immer zu wider gewesen. Als der Lappen aber endlich still ist, macht sich Genugtuung in der jungen Frau breit. Herrliche, befriedigende Genugtuung.

Der Unbekannte nickt und lässt den Kragen des Lappen los.

Als sie den reglosen Körper vor sich sieht überrollt sie etwas Anderes wie Zufriedenheit: Reue und Scham sorgen dafür, dass sich ihr der Magen umdreht und sie sich übergibt.