von Nora Sommer
Wie bereits beschrieben, war das Badezimmer in unserer Wohnung recht speziell. Es hätte uns vielleicht mehr überraschen sollen, dass es eigentlich keines war.
Barbaras Vater erzählte: Als er die Wohnung über 40 Jahre zuvor übernommen hatte, war diese immerhin mit einem Wasseranschluss und einer Toilette ausgestattet. Also keine Bassenerwohnung, wo sich der ganze Stock einen Wasserhahn am Gang teilt. Nein, der existierende Wasserhahn war luxuriöserweise IN der Wohnung, und zwar in der Küche. Was jenen Raum als Küche auszeichnete, war neben dem kühlen Nass (ihr dachtet doch nicht etwa, es gäbe Warmwasser?) ein trauriger Holzofen. Also halt mit etwas Fantasie und für rustikale Ambitionen eine Kochstelle.
Da die Studenten wenig Geld, aber dafür Freude am Basteln sowie bautechnisches Verständnis hatten, haben sie selbst Hand angelegt und die „Küche“ in ein funktionales Badezimmer verwandelt. Dieses erfüllte auch die gesetzlichen Anforderungen. Außer einer Baugenehmigung, die keiner eingeholt und 40 Jahre lang keiner vermisst hatte. Bis zu der Geschichte, die der WG ein offizielles Ablaufdatum bescherte:
Die nasse Stelle im Vorraum an der Wand zum Bad entdeckten wir, als ich an einem kühleren Sommertag meine festen Schuhe anziehen wollte und feststellte, dass diese verschimmelt waren. Laut österreichischem Mietrecht ist alles IN der Wand Sache des Vermieters – den Barbara daher kontaktierte. Bei der Begehung fand sich erstmal keine Lösung, aber dafür wurde am Aufbau des Badezimmers Anstoß genommen. Bei den Diskussionen, die folgten, stellte sich die Sache mit der Baugenehmigung heraus. Letztlich einigte man sich vor Gericht. Denn entgegen den Befürchtungen von Herrn Graus hatte Barbara nicht vor, in der Wohnung alt zu werden, sondern wollte nur noch in Ruhe fertig studieren. Damit konnte der Vermieter leben, sofern der Bodengulli verschlossen und nicht mehr verwendet wurde. Damit musste auch das gute Stück mit den Löwenfüßen weg. Dafür wurde die Leitung zur Toilette saniert, die den nassen Fleck ausgelöst hatte.
Ohne die Badewanne benötigten wir Equipment, das die verlorenen Funktionen ersetzte: Menschen waschen und gelegentlich größere Mengen Getränke einkühlen. Der Aspekt „Style“ war leider unersetzbar. Bier und Co. auf gewünschte Trinktemperatur zu bringen war die leichtere Übung – man kaufe einen zusätzlichen Kühlschrank. Wenn unser Badezimmer schon offiziell eine Küche war, hatte dort auch ein Kühlschrank gut stehen. Die Umsetzung der anderen Nutzeranforderung war schwieriger, nachdem wir keinen neuen Abfluss in Bodennähe herzaubern konnten. Das Lösungswort war „Komplettdusche“. Passende Ecke hatten wir keine, aber dieses Produkt ließ sich auch frei mitten im Raum aufstellen. Eine integrierte Pumpe sorgte dafür, dass das Abwasser über einen Abfluss in der Wand abgeleitet werden konnte. Eine abgerundete Kabine in Schwarz, Silber und Glas, die runde Regendüse vom Dach, das Geräusch der Pumpe – der Gesamteindruck war „Beamstation“. So inkongruent, wie das moderne Teil in dem Bad auch gewirkt hat: Insgesamt hat das in dieser Wohnung Damit war unsere „Küche mit Badegelegenheit“ komplett. Kochstelle gab es halt keine, aber wir hatten ja ein „Wohnzimmer mit Kochnische“.
© Nora Sommer 2024-03-07