„Miss Hayes? Ist alles in Ordnung? Gefällt Ihnen das Kleid doch nicht?“
Ich drehte mich im Spiegel hin und her und tat so, als würde ich noch überlegen, dabei war ich mit meinen Gedanken schon wieder ganz woanders gewesen.
„Wir können es auch nochmal abändern lassen.“
Die Verkäuferin des Brautmodengeschäftes, Lisa Meyer, zupfte ein wenig an dem Traum in Weiß herum, doch es änderte nichts an meiner Entscheidung.
„Nein, Lisa. Ich fühle es nicht mehr. Ich möchte ein anderes Kleid.“
Ich beobachtete wie sie ganz blass um ihr kleines Stupsnäschen wurde und fühlte mich für einen Moment unwohl. Erschrocken klimperte sie mit ihren Wimpern und man konnte sehen, wie sich ihre braunen Rehaugen leicht mit Tränen füllten.
„Aber, Miss Hayes. So kurz vor der Hochzeit ein neues Kleid ist schon sehr ungewöhnlich. Unsere Schneiderin hat Monate gebraucht, um es nach Ihren Wünschen fertigzustellen. Noch ein anderer Entwurf von Ihnen würde nochmal genauso lange dauern und dazu fehlt uns die Zeit.“
Ruckartig drehte ich mich zu ihr um.
„Lisa, natürlich verstehe ich das alles. Ich habe auch keinen neuen Entwurf im Sinn, Liebes. Ich nehme einfach etwas, was ihr auf Lager habt.“
Langsam stieg ich das Podest hinab, doch Lisa hielt mich mit einer leichten Berührung ihrer Hand auf meinem Ellenbogen auf.
„Aber, Miss Hayes“, verlegen schaute sie auf den Boden und knibbelte an ihren Fingernägeln, „sie sagten damals, dass sie auf keinen Fall eines unserer Kleider anziehen werden. Sie wollten unbedingt ihren eigenen Entwurf tragen.“
Ich schloss meine Augen, holte tief Luft, nur um sie mit einem eisigen Blick zu durchbohren.
„Ich hoffe, dass ich es nun zum letzten Mal wiederholen muss, Miss Meyer. Ich will dieses Kleid nicht mehr.“
Lächelnd tätschelte ich ihre vor Scham geröteten Wangen und fügte mit meiner süßesten Stimme hinzu: „Und nun bringen Sie mir eine geeignete Auswahl an Kleidern. Bitte.“
© Isabella Schulte-Hiltrop 2023-08-31