1

Nefeli Louka

von Nefeli Louka

Story

So war es denn auch, als ich meinen griechischen Pass aktualisieren musste. Ich trat ins Treppenhaus und entdeckte auf meiner Linken eine Greisin mit einem Gehstock, die nicht ganz bei Sinnen war und sich über etwas beschwerte. Nikos, sagte sie, Nikos sei nur für sie nach Athen gereist, für gerichtliche Angelegenheiten, doch, oh weh!, sie wollten die Vollmacht nicht akzeptieren. Dabei war er so ein guter Junge. Wenn ihr Mann noch am Leben wäre, Gott vergebe ihm, hätten sich die vom Büro sowas nicht getraut. Ich bejahte, niemand hätte sich getraut, Vasili zu widersprechen (übrigens war der Name geraten, ich hatte diese Frau noch nie zuvor in meinem Leben gesehen). Wo Maria nur bliebe?, fragte ich.

Das schien sie in Fahrt zu bringen. Das fragte sie sich nämlich auch, schon seit einer halben Stunde hätte sie hier sein sollen, dabei habe die Greisin den Hund allein gelassen und musste schleunigst zurück. Unter uns verriet sie mir, dass sie Maria noch nie mochte und nicht verstand, was Nikos in ihr sah. Ich murmelte etwas über die Liebe, Gottes Wille und der Allerheiligen, worauf sie energisch ihr Kreuz schlug. Plötzlich leuchteten ihre Augen auf und ich fürchtete schon das Schlimmste, doch es sollte noch schlimmer kommen. Sie war auf einmal felsenfest überzeugt, ich sei gottgesandt und könne doch die Vollmacht übernehmen. Ach, was eine Last ich von ihr nehmen würde! Als ich mich dysphorisch zeigte, geriet sie in Wut und schickte mich zum Teufel.

Nun denn, zum Teufel ging ich auch.

Es stellt sich heraus, dass er nicht so leicht zu finden ist. Die Hölle kümmert sich nicht um Schilder, Pfeile, klare Wege oder gehfesten Boden – und die griechische Botschaft erst recht nicht. Es braucht Geschick und theologisches Basiswissen, um herauszufinden, wo man den Termin hat. Hierbei ist Termin ein absoluter Euphemismus, denn tatsächlich ruft man vor Ankunft (bereits auf dem Weg dorthin) an und fragt, ob „noch Plätze frei sind“. Dann schaut sich die Sekretärin um, berechnet ungefähr, ob noch einige Quadratmeter im Warteraum (jede Fläche, die kein Büro ist) unbesetzt sind und egal, wie die Rechnung ausgeht, antwortet sie mit: „Ja, klar, aber beeilen Sie sich.“

Zum Glück war mir der Vorname des für Passangelegenheiten zuständigen Themispriesters bereits bekannt: Er hieß Ioannis.

© Nefeli Louka 2022-09-01