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Antonia Flachsenberg

von Antonia Flachsenberg

Story

Ich breche auf ohne irgendwelche Erwartungen. Ich will wirklich nichts von Japan. Ich will nur weg, raus aus Deutschland, halte es nicht mehr aus, nicht viel länger jedenfalls. 

Die Stadt am Main sollte mir damals alles geben, meine Träume erfüllen, egal wie absurd, wie unbedeutend.

Sie sollte mich ausfüllen, die Lethargie und Schwermut der Provinz restlos abtöten und sie tat nichts davon, über all die Jahre. Warum hätte sie auch? Sie schuldete mir nichts. 

Das zu kapieren tat weh, aber ich konnte weitermachen. Ein Leben ohne Ziel. Es war einfacher so. Ohne Wünsche, ohne Träume, die langsam verschrumpeln und einen alt werden lassen.

Ich dachte, so funktioniert es und hatte mich wieder getäuscht.

Am Ende der Nacht plötzlich Klarheit. Ich hatte längst angefangen, die Tage zu zählen, als würde ich warten, auf irgendetwas Großes, ein Ereignis, das vor mir liegt.

Dasselbe hatte ich schon einmal getan, damals es war nicht gutgegangen. Jetzt also wieder: 83. Diese Art des Zählens führte ins Nichts, war unendlich, konnte einen verrückt machen. 

Ich erstarre.

Um mich herum zucken blau-beleuchtete Menschen weiter zu dem hämmernden Bass, als wäre nichts passiert. Sie werden mir mit jedem Schlag fremder.

Ein kalter Schauer auf meinem Rücken, obwohl es viel zu heiß ist. Mein Hemd, vom Tanzen völlig durchgeschwitzt.

Ich frage mich, was passiert wäre, wenn ich es nicht gemerkt hätte. Unerträglich.

Also besser jetzt gehen, bevor es zu spät ist. Gehen, bevor sich irgendetwas, irgendjemand in den Weg stellt. 

Also raus aus dem Club ohne ein Wort zu den anderen. Ich gehe zu Fuß, brauche Luft, auch wenn sie schlecht ist, laufe endlos an der Hauptstraße entlang. Hohe Häuser, rauschende Taxis, Stadtnatur.

Als ich ankomme, wird es schon hell. Ich durchquere den Hinterhof, die knarzenden Treppen hinauf, rein in die Wohnung, versuchsweise leise.

Ich mache mir Kaffee, eine Kanne, schwarz, wecke mein Tablet. Billigfluganbieter, Vergleichsportale, die üblichen Namen, direkt nebeneinander geöffnet. Ich schicke den Suchlauf immer wieder auf Reisen.

Hoffentlich auch mich, so schnell es geht. Endlich scheint etwas zu passen: weit weg, kein Visum, übermorgen, unfassbar günstig.

Vielleicht ein Fehler im System.

© Antonia Flachsenberg 2024-03-14

Genres
Reise, Spiritualität
Stimmung
Emotional, Inspirierend, Reflektierend