von Ana Mole
„Ces cu se“, Simon drehte sich nicht einmal um, denn er konnte diese hinterlistigen Idioten nicht mehr sehen. Der Krieg sollte eine Erlösung sein, der Krieg sollte Frieden bringen, aber allein dieser Satz hatte so viele Widersprüchlichkeiten in sich, dass er es hätte wissen müssen. Er hätte wissen müssen, dass es keine Gewinner gab. Keine geben konnte! Ein Krieg war ein Krieg und es gab nur Verlierer. Auf dieser Seite und auch auf allen anderen. „Ces cu se“ wiederholte sich der Mann in der Ecke. Seine Stimme klang gereizt und als Simon sich umdrehte, sah er in das hässliche Gesicht von Gadiel Czerny. Der einfache Name konnte nicht über das hinwegtäuschen, was er wirklich war. Er war der Großvampir, die oberste Leitung der Vampire und er ging über Leichen. Simon war sich fast sicher, dass vieles von dem, was passiert war, von diesem Mann gesteuert worden war. Sein Gegenüber sah ihn verschlagen an. „Ces cu se“ – Ich bin bei dir. Dieser Satz, der so schön sein könnte, löste einfach nur Wut in Simon aus. Ganz klar, er ist bei mir. Er! Er ist höchstens bei mir, um mir einen Dolch ins Herz zu stoßen von hinten, weil er zu feige ist mir dabei in die Augen zu sehen. Sein Gegenüber sah ihn abwartend an und er konnte die Belustigung in seinem Gesicht sehen. Sein Gesicht sah aus, wie einem Alptraum entsprungen. Er hatte lange spitze Ohren, ein ebenso spitzes Kinn und kein einziges Haar bedeckte seinen hageren Körper. Würde er ihn nicht so genau kennen, würde er ihn vermutlich unterschätzen. „Du bist bei mir? Warum? Um zu sehen, ob ich wirklich sterben werde?“ Simon stieß ein verachtendes Lachen aus. „Verschwinde, du seelenloses Miststück!“ Aber der andere tat ihm diesen Gefallen nicht. Er wollte sehen, dass Simon für das Volk der Gestaltwandler in den Tod ging. Von jedem Volk einer. Das war der Deal gewesen. Es gab viel mehr Unterarten der Völker, aber es ging hier auch um die Tugenden der Völker. Der große Krieg hatte viele Opfer gefordert und er würde kein Ende finden, wenn sie jetzt nicht diesen Weg gingen. Die Führenden der Völker hatten sich zusammengetan und beschlossen, die Völker der Enigmatischen von der Menschenwelt zu trennen. Doch um das zu erreichen, gab es nur einen Weg. Neun Völker mussten einen der ihren auserwählen und ihn opfern. Opfern um die Welten zu trennen und das Vergessen der Menschen einzuleiten. Erschwerend kam dazu, dass sie keine Zeit hatten, um zu überlegen. Gestern hatten sich die neu ernannten Mitglieder des Bündnisses zusammengeschlossen und heute musste die Wahl auf einen von jedem Volk fallen. Ein Tag der über alles entschied. Diese neun Wesen würden das neue Reich der Enigmatischen einschließen und unsichtbar machen für die Menschenwelt. Den Rest würde die Natur erledigen. Menschen neigten dazu zu vergessen und die Wesen würden einen zusätzlichen Zauber auf die Menschenwelt legen. Es würde nicht lang dauern und die Geschichten, die sie jetzt erlebt hatten, würden ihnen wie Märchen vorkommen. Keiner von ihnen würde dann noch wissen, dass es die Wesen wirklich gab. Simon fand es erschreckend, dass sogar dem Vertreter der Menschen klar war, dass es keine andere Lösung gab. Wie verloren dieses Volk doch war. Was oder wen würden sie bekämpfen, wenn es keine Wesen mehr gab? Sich selbst?
© Ana Mole 2024-01-04