von Yasemin Klier
1. Dr. Gnom?
Heute ist einer dieser Tage, an dem alles einfach nur grau erscheint und ich dazu gezwungen werde zu Lächeln, obwohl ich am liebsten alleine im Wald sitzen würde. Das Aufstehen allein ist eine Qual, der Gedanke an den Tag unerträglich. So schlimm wie heute ist es noch nie gewesen. Immer habe ich mir eingeredet, dass es vorübergehen würde, aber heute fühlt es sich so an, als würde es bleiben und das länger als mir lieb ist. Ich höre bereits meine Mutter die Treppe hinaufsteigen, nur um kurze Zeit später die Tür meines Zimmers aufzustoßen. Ich drehe ihr den Rücken zu. >>Guten Morgen Sonnenschein!<<, sagt sie in einer fröhlichen Stimme. Wie konnte man um sechs Uhr in der Früh nur so gut gelaunt sein? >>Angel?<<, nun klingt sie besorgt. Das Witzige an Sonnenlichtlern ist, dass sie extrem leichtgläubig sind und da ich in diesem Moment nicht ich selbst bin, nutze ich diese Tatsache schamlos aus. >>Ich glaube, mir geht es nicht gut. Mein Bauch tut so weh und ich habe solche Kopfschmerzen<<, mit kränklich verstellter Stimme, einem gekrümmten Rücken und leise keuchend, überzeuge ich sie. >>Mein liebes Kind!<<, sofort eilt sie an mein Bett und legt ihre Hand auf meine Stirn. >>Du bist ganz kalt!<<, quiekt sie erschrocken auf. >>Unter Normaltemperatur! Das muss sich ein Arzt ansehen. Ich werde sofort den Dorfdoktor holen. Bitte bleib liegen, okay Schatz?<< Und hier dachte ich es sei eine gute Idee gewesen. Na toll. Ich fasse mir ebenfalls an die Stirn, entdecke aber keinen Temperaturunterschied, ich fühle mich auch nicht schlecht. Nur geht mir die Fröhlichkeit auf den Geist und auf im Bett liegen bleiben, habe ich auch keine Lust. Ein kleiner Teil Vernunft lässt mich jedoch aber in meiner Position verharren.
Ich starre also an die Wand und wünsche mir endlich, dass meine Mutter mit dem Arzt zurückkommt, bevor ich vor Langeweile sterbe. Nach dreißig Minuten wird meine Bitte erfüllt und sie betritt den Raum, mit einem alten Mann im Gepäck. Er sah nicht nach Dorf- Arzt aus, hatte nicht die gleiche Statur wie Dr. Weide. Ich begutachte ihn von oben bis unten. Die Brille sitzt ein wenig schief, Haar war keins vorhanden, lediglich ein langer Bart ziert seine runzelige Visage. Er sieht mit seinem krummen Rücken aus, wie ein Gnom. Und seine Schuhe erst! Sein Schuhwerk besteht nur noch aus einem kleinen Band, welches sich einmal um seinen linken Fuß schlängelt. Ich dachte wir Aprici sind glücklich und zufrieden, ohne Sorgen, alle gleich. Doch zwischen ihm und mir scheint der Unterschied immens. War das gemein ausgedrückt? Nein, nur ehrlich.
© Yasemin Klier 2023-06-06