1 Nutrias oder Hühnchen?

Claudia Wemmel

von Claudia Wemmel

Story
MV

Es ist still, so wunderbar still. Bis auf das Rauschen der Blätter im Wind sind keine Geräusche zu hören. Besagter Wind schmeichelt mein Gesicht und zupft verspielt an meinen Haaren. Ich liebe es die frische Luft einzuatmen, zu fühlen wie sie kühl in meinen Körper strömt und den milden Duft irgendwelcher Blumen mit sich bringt. Mit Blumen kenne ich mich nicht besonders gut aus. Sie sind hübsch und duften, das ist alles, was ich über sie zu wissen brauche, um mich daran zu erfreuen. Die Sonne legt ihre Strahlen sanft auf meine Haut, die sie durstig aufsaugt. Schlorp. Bei dem Gedanken muss ich grinsen. Schlorp. Was wohl die Nutrias denken? Da sitzt da doch echt so ein Kauz auf der Bank und grinst blöd in sich hinein, und lässt nicht einmal etwas Fressbares fallen. Wer sitzt schon einfach so auf einer Bank und genießt die Sonne und den Wind? Den Duft der Blumen? Horcht auf den Atem? Wer nimmt sich denn schon die Zeit einfach so am Wasser zu lonzen und das Hier und Jetzt zu erleben? Das Leben zu genießen?! Während man als fleißiges Nutria hier an Wasserpflanzenzeug knabbert um zu überleben. Wieder lächle ich, vermutlich erneut zum Unmut der Nutrias. Eines schnuppert noch einmal neugierig an mir, ich kann die roten Zähne sehen, dann tapst es auf seinen kurzen Beinen zurück ins Wasser und schwimmt erstaunlich elegant ans andere Ufer um dort an einer anderen, natürlich viel besseren, Pflanze weiterzukauen. Ich lege derweil den Kopf in den Nacken und glotze in den blauen Himmel. Weit und breit keine Wolke zu sehen. Dieses intensive, warme Blau erfüllt mich. Ich liebe diese Farbe, als könnte man Friedlichkeit schmecken.


Dima schüttelte den Gedanken ärgerlich ab. Immer wieder quälten ihn diese fremden Erinnerungen und Träume zu den ungünstigsten Momenten, meist ohne ihm irgendeinen Sinn oder Ziel mitzuteilen. Vielleicht verstand er es aber auch einfach nur nicht.


Es roch nach Papier, Moder und Dreck, keine Blumen weit und breit. Staub tanzte im Lichtschein, der sich durch die zerbrochenen Scheiben eines Fensters mühte. Auf dem Boden lag Unrat, auf den Überresten von Papieren konnte man längst nichts mehr lesen. Unweit der Tür, in der er stand, lag ein Berg Schreibtische. Entweder hatte sich jemand sehr viel Mühe gemacht dieses Kunstwerk zu erschaffen, hatte Langeweile oder verbarg etwas dahinter. Letzteres vermutete Dima. Erstaunlicherweise fand er keine dazugehörigen Bürostühle vor. Durch die brüchigen Fenster strömte seichter Wind und das leise Geräusch des Nieselregens.




© CalzoneCarl 2023-05-13

Genres
Science Fiction & Fantasy
Stimmung
Abenteuerlich, Mysteriös
Hashtags