von Katrin Gröber
In einem zu lange nicht mehr gelüfteten Büro saß Selina an ihrem Arbeitsplatz und nahm soeben das klingelnde Telefon vom Hörer. Sie kannte die Nummer, die anrief, schon lange auswendig, weshalb sie sich auch nicht mit Firmennamen meldete. »Hey.«
»Du hattest recht.«, begrüßte der Anrufer sie und Selina fiel auf, wie kehlig seine Stimme klang. Geschafft und müde. Es schien viel los zu sein auf dem Revier.
»Womit?« Selina klemmte sich den Hörer unters Ohr und tippte ihren letzten Satz zu Ende.
»Es gab einen dritten Mord.« Jack räusperte sich. »Es ist ein Serienmörder.«
Selinas Finger froren ein. Sie schwebten über den Buchstaben ihrer Tastatur, als hätten sie vergessen, was sie eben noch schreiben wollten. »Bist du dir sicher?« Ihre Hand wanderte zu dem Hörer. Ihre Aufmerksamkeit war jetzt komplett bei dem Polizisten an ihrem Ohr.
»Ja. Dieselbe Stichverletzung. Direkt durch den Kehlkopf. Stimmbänder und Luftröhre wurden sofort durchtrennt.«
Ein aufregender Schauer rann über Selinas Rücken. Sie schnappte sich den Block auf ihrem Arbeitsplatz und schrieb Opfer Nummer 3. »Wer ist es?«, fragte sie.
»Wir wissen es nicht. Niemand hat irgendwen gesehen, es ist genau-«
»Das Opfer.«, spezifizierte sie ihre Frage und ihr guter Freund von der Polizei seufzte.
»Ed Colson. Geschäftsmann. Er arbeitete bei RIZON. Diese Energiefirma am Stadtrand.« Selina beeilte sich mitzuschreiben, ihre Augen überflogen die Zeilen, die schon auf ihrem Zettel standen.
Opfer 1: Karl Metthew, Barkeeper im INHOUSE, keine Familie
Opfer 2: John Dey, Angestellter im Bauwesen, geschieden
»Habt ihr irgendwelche Verbindungen gefunden?«
»Nein.«, gab Jack die ernüchternde Antwort, die das aufgeregte Kribbeln in ihr nur weiter verstärkte. »Aktuell sieht es so aus, als wären die Opfer zufällig ausgewählt, aber dafür sind die Tode zu geplant. Bei keinem gab es Anzeichen für einen Kampf.«
Weil er zu schnell ist, dachte Selina. Ein präziser, schneller Hieb und es konnte jeden treffen.
»Hör mal, ich kann mir vorstellen, dass das für dich wie ein fünf Gänge Menü klingt.«, begann Jack jetzt in einem ruhigen, ja fast schon sanften Ton. Als wollte er sie nicht verschrecken. »Aber du solltest mit einer Story vielleicht noch warten. Wir wissen nicht, wie der Täter auf so etwas reagiert.«
Selina schwieg. Sie wusste, dass Jack sich nur Sorgen um sie machte. Dass er nur wollte, dass ihr nichts passierte – wie beispielsweise ein Messer im Kehlkopf.
»Da draußen läuft ein Irrer herum, die Leute müssen wissen was los ist.«
»Darüber informiert die Polizei. Und zwar wertungsfrei.«, erinnerte er sie mit Nachdruck.
Selina schnaufte. »Danke, dass du´s mir gesagt hast.«
»Seli-«
Sie hatte den Hörer schon aufgelegt. Ihr Blick heftete sich auf den Artikel, den sie eben noch geschrieben hatte. Ein klassischer Ladendiebstahl in der Innenstadt. Sie speicherte den Text und öffnete ein leeres Dokument. Ihre Finger flogen routiniert über die Tasten: „Serienkiller ohne Plan“
© Katrin Gröber 2024-09-02