#1 Wie man lernt, ohne Beine zu leben!

„Wer ins kalte Wasser springt, taucht in ein Meer voller Möglichkeiten!“ Mit diesem, an sich sehr positiven, Satz möchte ich mein drittes Buch beginnen. Bewusst und symbolisch dazu habe ich auch das Foto, links, sitzend, mit den Beinen am Abgrund baumelnd, unter mir der reißende Fluss, ausgewählt. Das Wasser unter mir wirkt kalt, wild und unberechenbar. Auch weiß ich nicht, was mich im Wasser erwartet.

Folgen Stromschnellen und Wasserfälle? Oder verwandelt sich der reißende Fluss in ein ruhiges, langsames Gewässer und mündet anschließend in einen Bach? Ich weiß es nicht. Trotzdem, soll ich den Sprung überhaupt wagen? Ist die Höhe nicht gefährlich? Kann ich einfach loslassen und ins kalte Nass´ springen? Ich habe keine andere Wahl, schließe meine Augen und springe …

Genauso fühlte ich mich damals, nach der Rückkehr von meiner Rehabilitation vom Weißen Hof in Klosterneuburg. Der Therapie-Alltag war hart und ich hatte mich acht Monate auf ein Leben vorbereitet, das ich bis dato nicht kannte. Ein Leben, für das ich trainiert, gekämpft und meinen Weg, mit der Unterstützung meiner Familie und vielen besonderen Menschen, unbeirrt verfolgt hatte. Es war ein langer Weg, mit vielen Höhen und Tiefen. Aber was nun? Wie sollte es weitergehen? Und was genau würde mich in meinem „neuen“ Leben erwarten?

Mein Name ist Jürgen Holzinger, geboren am 19. November 1981 in Österreich in Eisenstadt im Burgenland. Aufgewachsen in der Marktgemeinde Rohrbach bei Mattersburg. Gemeinsam mit meinen Eltern Gerda und Anton Holzinger, sowie mit meiner, um sechs Jahre älteren, Schwester Bettina, in meinem Elternhaus unweit des örtlichen Fußballplatzes. Wodurch sich meine, bis heute bestehende, Leidenschaft für den Fußball entwickelte, mit zahl- und erfolgreichen Spielen im höchsten Amateurbereich, welche im Jahr 2014 nach knapp dreißig Jahren leider abrupt endete.

Seit dem Jahr 2009 wohne ich mit meiner Familie, verheiratet mit meiner Frau Sabrina, und unseren Kindern, Lorena und Emilian Jürgen, in der Nachbargemeinde in Marz am Fuße des Kogelberges.

Und die folgenden Geschichten schließen nahtlos an die Geschehnisse vom September 2015 an. Mein viermonatiger Krankenhausaufenthalt in einem Wiener Krankenhaus, verbunden mit beidseitiger Oberschenkelamputation, Koma, Nahtoderfahrungen, sowie überstandener Dialyse war sehr hart für mich und meine Familie. Nach anschließender achtmonatiger Rehabilitation im Weißen Hof in Klosterneuburg, mit anstrengenden Therapien, psychologischer Behandlung und wichtigem Austausch mit Gleichgesinnten, „Lagerkoller“ und Kampf um meine Prothesen hatte ich mein Ziel, „gehend“ nach Hause zu kommen, erreicht.

Voller Tatendrang wollte ich meine Tochter Lorena an ihrem ersten Kindergartentag gemeinsam mit meiner Frau begleiten …