10: Das letzte Date

Sabine Knauf

von Sabine Knauf

Story

Das werden die längsten sieben Minuten meines Lebens. Vor mir saß ein attraktiver junger Mann mit braunen Haaren und stahlblauen Augen. Ich war mir sicher, dass viele Frauen seinem Aussehen hoffnungslos verfallen waren. Vielleicht verliebten sich einige sogar auf den ersten Blick in ihn. Aber ich? Ich nicht. Der Typ benahm sich wie eine Landplage auf zwei Beinen. Mein letztes Date an diesem Abend übertraf alle bisherigen um Längen – selbst meinen Ex. Und das wollte etwas heißen. Gegen diesen Typen wirkte Aaron fast wie ein schüchternes, braves Mädchen. Genervt verdrehte ich die Augen. Seit geschlagenen drei Minuten hörte ich mir die dümmsten Anmachsprüche an, die das Internet zu bieten hatte. Schlimmer noch – er hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, sie auswendig zu lernen. Er las sie direkt von einem zerknitterten Blatt Papier ab. Ich wollte gar nicht wissen, wie oft er diese Leier an diesem Abend schon runtergebetet hatte. „Hast du ein Foto dabei? Ich möchte dem Weihnachtsmann zeigen, was ich mir wünsche.“ „Willst du heute Nacht deine Seite des Bettes teilen?“ „Diese Klamotten würden in einem zerknitterten Haufen auf meinem Schlafzimmerboden toll aussehen.“„Ich glaube nicht, dass ich deine Babys will, aber ich hätte nichts dagegen, meine Baby-Mach-Technik mit dir zu verfeinern.“ „Halt endlich deinen Mund!“ Platzte es aus mir heraus. „Solch ein dummes Geschwätz hält man ja nicht einmal fünf Minuten aus! Mit deinem Gerede beeindruckst du keine Frau, die noch bei klarem Verstand ist.“ Mein Gegenüber sah mich mit großen Augen an, während ich mir angestrengt die Schläfe rieb. Da ich es unhöflich fand, zu schweigen, versuchte ich ihm zu erklären, warum ich ihn unterbrochen hatte. „Mit so einem Gelaber wirst du niemals eine Frau von dir überzeugen. Ab und zu kann ein Anmachspruch vielleicht ganz nett sein – manchmal hilft er sogar, die Stimmung aufzulockern, wenn einem die richtigen Worte fehlen. Die Betonung liegt auf kann! Aber das, was du hier gerade abziehst, geht gar nicht. Deine Sprüche sind nicht charmant, sondern abstoßend und respektlos. Deshalb gebe ich dir einen gut gemeinten Rat: Finger weg von billigen Anmachsprüchen aus dem Internet!“ Er sagte kein Wort. Stattdessen starrte er mich vernichtend an. Ein ungutes Gefühl kroch in mir hoch. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Zum Glück ertönte in diesem Moment das Signal. Meine Rettung! Ich hatte den Abend überlebt. Ohne eine Sekunde zu zögern, sprang ich auf. Ich wollte nur noch eines: meine wohlverdienten Zimtschnecken. Als wäre der Teufel höchstpersönlich hinter mir her, stürmte ich aus dem Raum. Es war mir egal, ob ich Angelas abschließende Worte noch hören würde oder nicht. Denn es spielte keine Rolle mehr. Ich hatte meine Entscheidung längst getroffen: Nicht einmal in tausend Jahren würde ich einen dieser Männer wiedertreffen wollen. Dann werde ich lieber die verrückte alte Katzenlady, lebe mit meinen 300 Kätzchen in einer kleinen Wohnung und genieße meine Ruhe. Im Moment wollte ich nur eines: schnell nach Hause. Dort würde ich mich mit Oliver auf die Couch kuscheln, meinen Wohlfühlfilm Bambi schauen und dabei Zimtschnecken futtern. So sah ein perfekter Abend aus. Also lief ich los – zur Bäckerei, in der es die besten Zimtschnecken gab, die ich je gegessen hatte.

© Sabine Knauf 2025-07-02

Genres
Romane & Erzählungen