von Karina Pohlmann
Entlang der Westküste Shikokus geht es nach Norden. In Matsuyama warten viele Tempel auf mich. Die beiden in den Bergen, Nummer 44 und 45, habe ich der Strecke wegen ausgelassen (es soll die anstrengendste Etappe des Ohenro sein), möchte aber herausfinden, ob ich nicht einen Bus nehmen kann, der mich zu ihnen bringt.
Zuerst jedoch besuche ich, die Tempel unmittelbar vor Ort. Schon bei Tempel 46, Joururiji, wo das Herbstlaub bereits einsetzt, macht mich die Dame im Büro darauf aufmerksam, dass ein Bus vom Bahnhof in die Berge fährt. Super, was ein Glück! Von der Nachricht beflügelt, mache ich mich auf zum nächsten Tempel, dem Yasakaji, mit der kleinen Brücke am Eingang. In den Feldern treffe ich zwei Frauen aus China, die gemeinsam reisen und in einem enormen Tempo unterwegs sind. Ich bin beeindruckt, aber lasse mir selbst weiterhin Zeit.
Vor Tempel 48, dem Sairinji, stoße ich auf Buck mit den beiden Chinesinnen, die er ‚the girls‘ nennt. Hallo mal wieder, Zufall! Sie wollen gemeinsam pilgern und fordern mich auf, mich zu beeilen, damit ich sie einholen und mich ihnen anschließen kann. Es wäre nett zur Abwechslung ein paar Reisegefährten zu haben, zuerst aber schaue ich mir den Tempel und seinen besonders schön gepflegten Garten an. Als ich mich setze, um eine schnelle Mittagspause einzulegen, steht auf einmal Wandervogel vor mir. Mit einer jungen Frau, ebenfalls aus Taiwan. So langsam werden es aber verrückte Zufälle! Ich hatte erwartet, dass mich alle bisherigen Bekanntschaften längst überholt haben.
Aus Zufall wird auch noch Glück, als mir Wandervogel erzählt, sie habe für den Tag ein Auto gemietet und mir anbietet, mich mitzunehmen. Ich stimme sofort zu und so fahren wir zu dritt weiter zum Joudoji, Tempel Nummer 49.
Noch auf dem Weg überholen wir Buck und ‚the girls‘, treffen sie aber später, als auch sie den Tempel erreichen. Zur gleichen Zeit kommt eine Reisegruppe beim Joudoji an. Mönche führen die Gruppe für ein Gebet zur Haupthalle, während der Reiseleiter mit den Stempelbüchern zum Büro eilt. Dieselbe Gruppe holt uns bei Tempel 50, dem Hantaji, ein, ein kleiner Tempel mit ordentlich angelegten Kiesbetten, über die gepflasterte Wege führen. Buck hat uns im Auto Gesellschaft geleistet, ‚the girls‘ hingegen wollen den gesamten Weg zu Fuß bewältigen.
Bei Tempel 51, dem Ishiteji, schließen sie dennoch auf, denn es gibt ein großes Gelände zu erkunden, samt einem langen Tunnel im Fels, der nur spärlich beleuchtet ist und in dem Jizou-Statuen aufgereiht stehen. Natürlich kommt auch die Reisegruppe hinzu und von einem der Mönche erfahren wir, dass sie aus Hiroshima angereist sind, um den Ohenro zu besuchen.
Während der Fahrt sprechen wir über die unzähligen Zufälle, die sich für uns auf dem Ohenro ereignet haben und darüber, dass man den meisten Menschen mehrfach begegnet. Wandervogel nennt das ‚yüien‘. Ein Ausdruck, der im Chinesischen so viel bedeutet wie: Es ist Schicksal. Vielleicht ist da ja etwas dran?
© Karina Pohlmann 2025-02-21