10 Im Schatten des Thrones

Marion Brunner

von Marion Brunner

Story
Avalis

Er fluchte leise. Raue Worte, die sich im Wind verloren. Dann drehte er sich um — seine grünen Augen brannten vor Entschlossenheit.

„Sattelt Odin.“

Odin war sein ältester Drache. Schwarz wie die Nacht. Ungezähmt.

„Ich hole sie zurück.“

Kael musterte ihn lange.

„Du bist verloren, Ryan.“

Ein raues, fast spöttisches Lächeln zuckte über Ryans Lippen.

„Vielleicht war ich das schon, als sie mich das erste Mal angesehen hat.“

Er trat an Odin heran, legte seine Hand an die raue Schuppenhaut.

„Sie ist nicht wie die anderen.“ Seine Stimme war leiser, fast an sich selbst gerichtet.

„Und wenn ich zulasse, dass sie allein gegen diesen König zieht… bin ich nicht besser als die Männer, die ich verachte.“

Als er sich auf Odin schwang, rief ihm Kael noch nach:

„Was wirst du tun, wenn du sie findest?“

Ryan zog den Ledergurt fester.

„Das, was ich tun muss.“

Er ließ Odin in die Lüfte steigen — höher, schneller, getrieben von etwas, das er sich selbst kaum eingestand. Nicht Pflicht. Nicht Schuld. Sondern etwas viel Gefährlicheres: Hoffnung.


Avalis lag still unter dem Nebel des Morgens, als Mary und Ludwig schließlich die Schlossmauern erreichten. Es war alles so vertraut — und doch fühlte es sich an, als würde sie einen fremden Ort betreten. Ihre Schritte hallten auf dem kühlen Marmor der Gänge.

Soldaten standen bereit. Stumm. Unbeweglich. Zu viele. Zu organisiert. Ihr Herz zog sich kurz zusammen. Er hat es gewusst.

Als sie die große Halle betrat, stand ihr Vater bereits dort. Der König von Avalis.

Sein Gesicht war hart wie Stein. Die goldene Krone auf seinem Haupt glänzte kalt im Licht.

„Mary.“

Seine Stimme war ruhig. Zu ruhig.

„Du bist zurückgekehrt. Wie ich es erwartet habe.“

Mary schluckte. Spürte den Kloß in ihrem Hals — aber sie trat dennoch vor.

„Vater. Wir müssen reden.“

© Marion Brunner 2025-04-25

Genres
Science Fiction & Fantasy