10 Jahre Antidepressiva sind genug! (1)

Hermi Berger

von Hermi Berger

Story

Provokant? Überheblich? Dumm?

Egal was diese Aussage auch bei dir hervorruft, neugierig hat sie dich auf jeden Fall gemacht, sonst würdest du diese Geschichte jetzt nicht lesen.

Was hast du bis jetzt in deinem Leben mit Depression zu tun gehabt? Wieso hat dich der Titel angesprochen? Hast du selber jemals Antidepressiva genommen? Bist du jetzt gerade depressiv? Und wie komme ICH zu der Aussage: “Mir reicht’s, zehn Jahre Antidepressiva sind genug!”? Was gibt mir das Recht dazu? Wer hat mich animiert? Warum ist es mir wichtig diesen Satz gerade jetzt, förmlich hinauszuschreien? Weshalb habe ich überhaupt so lange gewartet damit?

Fragen, Fragen und wieder Fragen! Die alle im Endeffekt auf eine einzige Antwort hinauslaufen: die ZEIT!

„Zeit“ ist das Schlüsselwort, mit dem alle die Fragen nur allzu leicht zu beantworten sind. Für mich ist es nicht mehr wichtig, dieses zu formulieren. Aber weil ich in Zeiten der Depression sehr viel gelitten habe, ist es mir ein Bedürfnis, dieses Frage- und Antwortspiel zu Papier zu bringen. Ist es wirklich schon zehn Jahre her, seit ich meine ersten „Beschleuniger“ eingenommen habe? Zehn Jahre? Was für ein Zeitraum! Was kann in zehn Jahren alles passieren? Oder noch besser: was kann in zehn Jahren alles NICHT passieren, wenn ich nämlich gar keine Zeit habe?

ALLES und NICHTS! So einfach ist das.

Ich bin ein Mensch, der sich die Latte immer sehr hoch gelegt hat. Was ich meiner Umwelt damit angetan habe, kann ich erst heute nachvollziehen. Bei mir selber kann ich den Schaden gut machen. Bei all meinen Mitmenschen kann ich mich nur entschuldigen. Ich entschuldige mich für den Stress, den ich ihnen dadurch gemacht habe; bei meinem Mann, bei meinen Kindern, bei meiner Schwester, meinen Brüdern, Schwager und Schwägerinnen, Freunden und Arbeitskolleginnen. Ich habe mir selber immer sehr viel abverlangt, indem ich immer alles GLEICH, SOFORT und KOMPLETT wollte.

Wie hat meine Umwelt das mit mir ausgehalten? Wie konnte ich selber diesem (positiven) Stress so lange die Stirn bieten? Ganz einfach: weil diese Zeit auch schön war; weil ich Alles und Jedes genossen habe; weil ich dadurch sehr viel gelernt habe und auch dadurch auch weiter gekommen bin. Und ich möchte auch keinen einzigen Tag dieser letzten zehn Jahre missen. Dazu waren sie einfach viel zu schön, viel zu aufregend, viel zu bedeutend, viel zu schmerzlich, aber auch deprimierend. Und wahrscheinlich waren es gerade die schmerzlichen Ereignisse, die mich reifen und weiterkommen ließen. Von Herzen dankbar für diese zehn Jahre der gelebten, versteckten,- oder wie auch immer genannten-, Depression, trage ich sie hiermit zu Grabe.

(„Verbrannt“ habe ich sie ja schon vor einem Jahr, aber um die Asche habe ich mich wohl nicht richtig gekümmert. DAS ist aber wieder eine andere Geschichte).

© Hermi Berger 2022-10-19

Hashtags