von Gabriele Ecker
Sollte man tun bevor man stirbt. Das ist eine Menge, aber ich glaube nicht, dass ich so viel erreichen möchte. Wenn der Arzt zu dir sagt, sie haben nur ein paar Monate zu leben, na dann würde ich sagen: “ Morgen lege ich meine Arbeit nieder und dann ab in die Welt. Zu den Orten, wo ich noch nicht war. Nach Afrika auf Safari, zu den Nordlichtern, Griechenland, Norwegen, Schweden, Frankreich. Würde ich das alles schaffen? Mein Mann würde mich bei diesem Vorhaben unterstützen. Ein Tagebuch würde ich führen und alles aufschreiben, was jeden Tag geschieht und wie es mir geht! Bestimmt ist es euch auch schon so ergangen wenn man zum Arzt geht und hofft das nichts schlimmes ist und das man nichts findet. Da kann ich nicht ruhig schlafen bis das Ergebnis da ist. Erleichtert ist man, wenn der Arzt zu dir sagt: ” Alles in bester Ordnung.“ Aber irgendwann ist es so weit und du wirst vor die Tatsachen gestellt. Ich hoffe, das ist noch lange hin!
Meine Mutter liebte auch ihr Leben, aber eines Tages stürzte sie und kam ins Krankenhaus auf Intensiv. Schädelbasisbruch, sie lag vierzehn Tage im Koma. Wir beteten für sie, dass sie wieder aufwacht, wir wollten doch mit ihr den 80. Geburtstag feiern. Der Arzt meinte, wir sollten uns überlegen, wie lange sie an den Maschinen angeschlossen bleibt. Wir sollten über Leben und Tod entscheiden. Das konnten wir nicht, wir hofften! Dann das Wunder, sie wachte wieder auf, sie kam in die Geriatrie. Da war sie vierzehn Tage, da bekamen wir die Nachricht, dass sie ein Pflegefall ist und wir überlegen sollten, wie es mit ihr weiter geht. Mein Vater und meine Schwester holten sie nach Hause. Zuerst kam die ambulante Krankenpflege. Jeder Handgriff wurde dokumentiert und verrechnet. Teure Angelegenheit, dachte meine Schwester, das kann ich auch. Die Krankenpflege kam dann nur einmal in der Woche. Ansonsten teilte meine Schwester zusammen mit meinem Vater die Arbeit. Vor allem das raus und reinheben ins Krankenbett war sehr mühsam. Aber die beiden schafften das. Ab und an half ich ihnen. Den 80. Geburtstag feierten wir im ängsten Kreis. Der Bürgermeister schaute vorbei, so wie der Pfarrer und die Nachbarn. Ein Jahr durfte meine Mama noch unter uns weilen. An Weihnachten war sie schon etwas seltsam. Sie betrachtete die Geschenke merkwürdig, so wie: “ Für was brauch ich das?” Aber trotzdem, alle Kinder und Enkelkinder waren da. Das freute meine Mama am meisten. Irgendwie hatte sie schon gemerkt, dass sie nicht mehr lange da ist. Ich weiß noch: Am 29.12. 2014 habe ich noch mit ihr telefoniert, da hat sie gesagt: “ Ich dachte du kommst am Sonntag vorbei?” Wäre ich nur vorbei gekommen. Zwei Tage später, Sylvester morgens, rief mich meine Schwester an und klagte: “ Ich glaube, Mama ist gestorben” “ Was, ich riet ihr den Arzt zu rufen und mir dann Bescheid zu geben.” Ich fuhr zur Arbeit, bald darauf rief mich meine Schwester an, dass es nun soweit war. Ich ließ die Arbeit, Arbeit sein und fuhr zu meinen Eltern. Noch einmal die Mama sehen bevor sie geht.
© Gabriele Ecker 2022-02-27