11 – Burg I

Keno Gayk

von Keno Gayk

Story

Ich kann mich nicht mehr einfach treiben lassen, denn dann wird alles dahinschwinden. Ich werde nicht zusehen, wie alles zerfällt; mich nicht einfach der Handlungsunfähigkeit hingeben. Immerhin gibt es jetzt einen Nutzen für mich. Ich muss kämpfen für den Erhalt des guten Lebens, das Penelopi und ich uns teilen. Wir wollen uns etwas aufbauen, aber es muss wirklich uns gehören. Niemals dürfen wir aus Bequemlichkeit vergessen, was wir wirklich wollen. Wir müssen unsere Unabhängigkeit bewahren. Uns an das anzupassen, was nicht unser Eigen ist, das müssen wir um jeden Preis vermeiden.

In der Burg am nördlichen Rande der Siedlung, dort lebt eine Gruppe von Händlern; es sind Geschäftsleute, die immer mehr unter ihre Kontrolle bringen. Sie schlagen Profite aus der Arbeit anderer. Sie bereichern sich an den Träumen der Ehrenhaften; mit jedem ihrer Aufträge erweitern sie ihren Einfluss. Immer mehr ehrliche Menschen treten in ihre Dienste; immer mehr treten aus der Not ihrer Armee bei; sie bauen ein Imperium daraus auf; bald haben sie alles in ihrer Hand. Sie spielen sich als Herrscher der Siedlung auf und doch hat niemand sie dazu ernannt. Es würde alles so viel besser ohne sie sein. Und das Schlimmste daran ist, dass Penelopi es einfach nicht sieht. Sie sagt, wir müssten uns daran anpassen, denn es sei ein notwendiges Übel, das uns nicht zu stören brauche. Wir müssten uns damit abfinden.

Es bringt absolut nichts, immer alles zu verharmlosen. Es ist gefährlich, stets über alle diejenigen Dinge hinwegzusehen, die wir nicht sehen wollen. Ohne jedes Gesetz, ohne jede Regelung zu leben, es ermöglicht so viel wunderbare Individualität. Es entstehen kleine Gemeinschaften; es werden die unglaublichsten Welten geschaffen; alle so wunderbar einzigartig. Die Menschen helfen einander ihre kühnsten Visionen zu verwirklichen; es kann ein wahres Paradies entstehen. Das ist der Traum und so fantastisch dieser auch ist, ebenso werden Visionen zerstört; sie werden gar nicht erst verstanden. Dieses Paradies ist so unglaublich fragil. Wir können uns in die Dienste der Händler stellen, aber wir werden etwas Entscheidendes verlieren. Die ganze Siedlung wird ihre Individualität verlieren. Sie werden alles nach ihrem Schema umgestalten und an jedem Stein, der in ihrem Auftrag gesetzt wird, verdienen sie. Je mehr sie verdienen, desto mehr erlangen sie die Kontrolle auch über jene, die sich nicht anpassen wollen.

Ich erinnere mich an das Paar, welchem ich vor der Siedlung begegnete; sie sprachen jeden Satz gemeinsam im Chor; aber sie hatten hier keinen Platz gefunden. Ich sehe es nun direkt vor mir. Sie wurden verspottet, weil sie ein klein wenig zu absonderlich waren. Es gibt immer diejenigen, die aus der Verletzlichkeit der anderen einen persönlichen Nutzen schlagen wollen; diejenigen, die die Visionen und die gemeinsamen Werte mit Füßen treten. Aber ist es der Weg, vor ihnen die Flucht zu ergreifen? Sollen alle die, welche ehrenhaft und ehrlich sind, einfach einknicken vor dieser Art der Beherrschung? Es ist etwas kryptisch, wie ich es gerade auszudrücken vermag; aber es ist wahr. Ich spüre es, wie alle jene diesen Ort zerstören, die aus Egoismus und Ignoranz auf die Individualität und damit ein entscheidendes Recht ihrer Mitmenschen spucken.

© Keno Gayk 2025-08-13

Genres
Science Fiction & Fantasy