von Grigio
Ich habe Angst vor der Nacht. Vor meinem Bett. Ich liege in meinem Bett. Lasse ein Hörspiel laufen, damit die Gedanken nicht in diese Richtung abdriften können. Sie tun es sowieso.
Diamantene Kronleuchter und goldene WĂ€nde blenden mich. Von ĂŒberall her höre ich das FestgelĂ€nde und die LĂ€rmkulisse hunderter GesprĂ€che. Doch niemand ist hier. Ich höre ihn auf der Treppe. Renne mit aller Kraft los. Weg von ihm. Doch die Beine bewegen sich in Zeitlupe, der Boden schiebt mich nach hinten zurĂŒck. Zu ihm. Die Luft schmeckt wie Eisen, der Mund ausgetrocknet. Seine Fratze will ich hier nicht beschreiben. Ich kann es auch nicht â sie ist immer etwas anders, aber sofort wiederzuerkennen.
Das Handy klatscht vom Nachtisch als ich nach dem Lichtschalter taste. 00.23 Uhr zeigt das Display. Fuck â gerade mal eine halbe Stunde. Um sechs klingelt der Wecker, aber gleich weiterschlafen ist zu gefĂ€hrlich. Erstmal eine Pause. Kaltes Wasser klatscht ins Gesicht, raues Handtuch schabt alles trocken, Wangen blass. Eine Folge Brooklyn Nine Nine fĂŒrs feel good feeling. 00.51 Uhr â brauche den Schlaf fĂŒr den Tag. Muss.
Der heftige Nachtwind lÀsst mich fast von der Schlossmauer fallen. Er hat auf mich gewartet und rennt auf mich zu. Ohne zu zögern, springe ich von der Mauer, um zu sterben. Um aufzuwachen.
01.04 Uhr. ScheiĂe. Muss schlafen.
Ich bin in einer Kammer â seiner Kammer. Kein Gegenstand hier scheint einen Sinn zu haben. Wozu auch? Immerzu ist er auf der Jagd. Das Mondlicht scheint an die feuchten WĂ€nde aus hĂ€sslichem Stein. Mein Blick hastet durch den Raum, kehrt zur Wand zurĂŒck und da ist sein Schatten wieder, wird gröĂer, aber ich höre ihn nicht auf der Treppe. Er ist hinter mir.
03.58 Uhr. Ich kann nicht mehr. Alle Lichter an, in jedem Raum. Kein Zentimeter fĂŒr Schatten. Es kratzt an der VerandatĂŒr. Miauzend kommt die Katze herein und reibt sich zwischen meinen Beinen als ich sie öffne. FĂŒr einen Moment lĂ€chelnd, schlieĂe ich die TĂŒr. Doch ich habe nicht nur die Katze hereingelassen. Er steht hinter mir.
04.17 Uhr. Das war’s fĂŒr heute. Fernseher an. Kaffee tröpfelt von der Maschine in die Tasse. Bis 6 Uhr Feelgood Serien und dann frĂŒher auf Arbeit. Zur Not heute Nachmittag bei Tageslicht schlafen. Und hoffen, dass er mich in dieser Nacht nicht finden wird.
© Grigio 2022-08-24