von Marie Töpfer
Es gibt so viele Wege einen Menschen zu verlassen. In Zeiten, in denen die Eifersucht mich am Meisten auffraß, suchte mein Geist mir die kältesten und schmerzhaftesten, die ich mir von Selma vorstellen konnte. Wie ein kalter Finger legte sich die Vorstellung beim Essen seine Kälte auf meinen Nacken, flüsterte mir Gedanken in den Kopf, die ich nicht hören wollte, nicht sehen, nicht spüren, nicht denken, nur nicht fühlen. In mir alles zu Eis werdend versuchte ich nicht zu diesem Mensch zu werden, der alles in sich am liebsten zum Schweigen bringen würde, der alles im Außen so weit weg wie nur möglich wünschte. In diesen Momenten war die Einsamkeit am größten, da mir ihre Worte nicht mehr helfen konnten. Sie schrieb, dass sie mich vermisste, doch entschied sich mit Romina in den Urlaub zu fahren. “Was erwartest du von mir, ich liebe sie nunmal auch…”, waren ihre Worte und ich fragte es mich ebenfalls, was ich erwartete.
„Ich erwarte Gerechtigkeit“, hatte ich Bogdan in einem längeren Gespräch ans Ohr geredet und er schwieg kurz. “Gerechtigkeit kann man nicht erwarten, sie kommt oder sie bleibt fern. Du musst entscheiden, wie du damit umgehst, ob du bleibst oder ob du gehst, wenn sie sich dafür entscheiden wird nicht mehr wiederzukommen. Du bist der, der fühlen muss, wie lange du ein Leben ohne Gerechtigkeit in deine Liebe führen willst.“ Ich wollte. Ich wollte es mehr als alles andere auf der Welt und ich fühlte, dass sich das Kämpfen für uns lohnen würde. Doch der Weg dorthin schien mir wie ein Berg, bei dem man begann nach hinten zu rollen, wenn man aufhörte in die Pedale zu treten. Jede Bewegung, die ich führte, wurde begleitet von dem Wunsch ihr so schnell es ging wieder nahe zu sein, doch der Gedanke daran, wie ich in die Pedale trat während sie bei ihr im Bett lag ließ mich schwach werden und müde. “Ich kann nicht mehr…“, waren meine letzten Worte gewesen, die ich ihr nach drei Tagen in ihrem Urlaub gesagt hatte. Es war nicht der Urlaub, der das Gefühl ausgelöst hatte. Es war die Leichtigkeit, mit der sie beschlossen hatte mit ihr diese Wochen zu verbringen, ohne sich abzusprechen. Die Leichtigkeit, mit der sie auf diese Weise kommunizierte, wurde für mich unerträglicher von Zeit zu Zeit. Es war, als würde mein größter Wunsch in manchen Momenten mein größter Fluch werden und je näher ich meinem Endziel kam, desto näher kam ich auch dem Moment, in dem ich mich selbst vollständig auflösen würde, verglühen in Ekstase und Liebe.
Vielleicht müsste es gar nicht so weit kommen. Vielleicht könnten wir auch einfach gemeinsam unsere Runden fliegen, uns immer wieder loslassen und aufs Neue wieder begegnen. Doch immer die zwei vor mir fliegen zu sehen, ließ mich müde werden auf Dauer. Ich musste einen Weg finden, um wieder mehr zu mir selbst zu finden oder einen Weg, für uns. Der Nebel in mir drin waren mittlerweile zu Eisschwaden geworden, die meine Gliedmaße bedeckten und mir jegliche Möglichkeit nahmen mich zu bewegen. Ich wollte fliegen, doch fühlte mich bedeckt wie von Steinen, die mich in eine Tiefe zogen, der ich nie wieder entrinnen würde.
© Marie Töpfer 2023-01-03