12. Lebendig unlebendig

Amelie Roth

von Amelie Roth

Story

Ich stehe inmitten des Waldweges und lasse den Regen ungehindert auf mich herabfallen. Du stellst dir vor, wie leicht es wäre, sich nun deinen Wünschen hinzugeben, direkt hier und jetzt zu sterben, doch du gehst diesen Gedankengängen nicht nach. Stattdessen beginnst du dich zu bewegen, weiter entlang des Mondes. Die einzelnen Sterne am Himmel schenken dir die Hoffnung, die du für einen klaren Verstand benötigst.

Denn egal wie oft du dich schon hingeben wolltest, du hast es nicht getan, du stehst noch auf beiden Beinen.

Egal wie oft du denn Sinn hinter deinen Taten nicht finden konntest, du hast weiter gemacht.

Auch in Momenten, in denen du durchgezogen hast, obwohl alles in dir leer war, hast du nicht aufgegeben und genau das macht die Momente, in denen du in der Lage warst zu fühlen, zu empfinden, noch besonderer.

Das ist diese eine Sache, die dich von anderen unterscheidet, denn trotz deiner fragilen Ader, hast du nie etwas ins Wasser fallen lassen, nicht einmal dich selbst. Selbstverständlich ist dein Leben unperfekt, doch das macht dich und deine Geschichte aus. Manche deiner Taten mögen unmenschlich auf andere gewirkt haben, aber davon bist du selbst unbelastet. Es wäre nämlich unnatürlich, sich immer der Norm anzupassen, das weißt du nun und auch wenn dich das möglicherweise unbeliebt machen könnte, interessiert es dich kaum. Du bist stolz auf dich, darauf, dass du es unbemerkbar in dein Inneres geschafft hast und dir klargemacht hast, dass vieles in deinem vorherigen Leben unverdient war und du inzwischen nicht mehr ungeliebt voranschreiten musst.

Du musst dich nur selbst lieben können.

Nein, du gehst garantiert nicht unverletzt aus dieser Sache, aber die größten Narben erzählen bekanntlich die besten Geschichten. Du nimmst dir fest vor, dich ab sofort nur noch unbelästigt von deinen Mitmenschen zu fühlen.

Ein vorbei huschendes Eichhörnchen stiehlt sich deine Aufmerksamkeit für einen winzigen Augenblick, bevor es in den nächsten dunklen Busch springt. Du lächelst friedlich, siehst dich um und nickst kaum merklich, dir selbst zustimmend.

Nie wieder willst du dich derart gehen lassen und falls doch, so möchtest du dir mit eigenen Händen den Rettungsring zuwerfen. Denn jede Sekunde ist das Leben wert, auch wenn es meist nicht so scheint und du dich oft verloren fühlst …

Lebendig unlebendig.

© Amelie Roth 2023-04-17

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