von Casper Kerseboom
Isaac hält den Schlüssel von sich gestreckt, als könne er ihn vor dem sich bewegenden Etwas im mannshohen Wildblumendickicht schützen. Als sei es ein Schild und kein bleistiftgroßer, mit Isolierband wieder zusammengeklebter und zudem unbezahlbarer Gegenstand, für den Isaac sich fast einen Arm hatte abschneiden müssen.
,,Äh-ich sags nicht nochmal!” , stottert er ins Dunkel, die Stimme fest zwischen die Zähne geklemmt. Die andere Hand klebt geballt an seiner Brust, Ecken und Kanten eines violetten Dings scheu zwischen den verstaubten Fingern herauslugend. ,,Das ist nicht wi-das ist kein Witz, ich-” , er keucht angestrengt, sein Herz verstopft ihm die Kehle und die Organe kräuseln sich um sich selbst.
Isaac ist kein mutiger Mensch. Man könnte meinen, Konflikte zu meiden wäre Teil seiner Religion, und eigentlich ist das für ihn an den meisten Tagen auch voll okay, aber heute sitzt ihm die Nervosität blubbernd unter der Haut, als hätte jemand Brausepulver darunter gestreut. Wahrscheinlich war es genau dieser juckende Drang gewesen, der ihn heute nach draußen ins Feld getrieben hatte, anstelle ihn zuhause auf seine Couch zu nageln.
Nach so einer Sichtung konnte er unmöglich zuhause bleiben.
Er schluckt sein Herz runter, starrt weiter in die Dunkelheit, bis er sich sicher ist, dass- WHUMP.
Er schleudert den Stein von sich, bekommt ein ,,SCHEIßE, MAN!”, als Antwort auf den offensichtlich gelandeten Treffer, sowie noch mehr, deutlich kreativere Flüche zurückgeschleudert, die Isaac so beeindrucken, dass er den Baustrahler neben sich wieder einschaltet. Die Person, die vor ihm im Dreck kauert, sieht keinesfalls so aus wie ein Etwas; mehr wie ein Jemand, und am Meisten wie jemand, dessen geringstes Problem Isaac zu sein scheint.
Ihr rotes Kleid ist schmutzig und das blaue Auge geschwollen.
,,Istnichtdaswonachesaussieht.” , stottert Isaac, den Schlüssel immer noch von sich gestreckt, was, wie ihm jetzt auffällt, wohl ziemlich albern aussehen muss. Und schon tritt sie fahrig mit den Beinen von sich, rutscht unbeholfen zum Rande der kleinen Lichtung, Isaac mit starrem Blick fixiert. Ihre Stimme reißt wie berstendes Holz: ,,Wonach soll es aussehen?” ,,Wonach sieht es denn aus?” , Isaac blinzelt sich den aufgewirbelten Staub aus den Augen.
Grabraub? Nachtwanderung? Oh ja, weil nachts Steine suchen so viel Spaß macht und so unglaublich legal ist.
,,Wollen Sie darauf ‘ne ehrliche Antwort haben?” Isaac öffnet den Mund um zu antworten, schließt ihn aber direkt wieder. ,,Den Schlüssel kenn ich doch… Und-hohohooo!” , macht sie als ihr Blick schwer auf die Edelsteinknochen zwischen ihnen fällt, ,,Was können die?” Isaac findet seine Stimme wieder, krächzt:,,Nichts, die können gar nichts. Ich- Sie sollten am Besten einfach gehen.” ,,Gehen. Sicher. Über meine Leiche, vielleicht.”, sie legt den Kopf schräg als Isaac sich ein grunzendes Kichern nicht verkneifen kann.
Dann fällt der Groschen.
© Casper Kerseboom 2022-05-25