12: Sieben Minuten

Sabine Knauf

von Sabine Knauf

Story

Leif führte mich nicht, wie erwartet, in den Verkaufsraum. Stattdessen begleitete er mich in die Backstube. Um mich herum duftete es wunderbar nach Gebäck – und das, obwohl die Öfen seit Stunden nicht mehr in Betrieb waren. „Ich liebe den Geruch hier“, sagte ich und lächelte. „Danke, dass du mir den Abend versüßt und ich nicht bis morgen auf meine Zimtschnecken warten muss.“ Ich wollte ihm zeigen, wie sehr ich sein Angebot zu schätzen wusste. Leif erwiderte mein Lächeln. „Der Duft in einer Backstube ist wirklich einmalig. Genau deshalb habe ich die Bäckerei von meinem Vater übernommen. Ich kann mir keinen besseren Beruf vorstellen als den eines Bäckers. Besonders dann nicht, wenn ich für eine Schönheit wie dich abends backen darf.“ Seine Worte jagten mir das Blut in die Wangen. Mir wurde plötzlich unerträglich heiß, und da ich nicht wusste, was ich darauf erwidern sollte, schwieg ich. Angestrengt versuchte ich, meine Verlegenheit zu überspielen. Schließlich fiel mir eine Ablenkung ein. „Ich war heute bei einem Speeddating“, begann ich. „Und bevor du fragst: Nein, ich habe meinen Traumprinzen nicht getroffen. Ganz im Gegenteil.“ Ich seufzte. „Einer der Kandidaten war sogar mein Ex-Freund. Teilweise kam ich mir vor wie eine Teilnehmerin einer Freakshow. Perversen Anmachsprüchen, einem jungen Mann mit einer Sammlung leerer Kondomverpackungen, meinem Ex und einem verrückten Stalker, der es auf die Leiterin des Datingportals abgesehen hat – musste ich mich heute Abend stellen. Da war wirklich kein Mann dabei, der mich ernsthaft interessiert hätte. Ich hatte zwar das ein oder andere nette Gespräch, aber mehr auch nicht. Vielleicht war es naiv von mir zu glauben, ausgerechnet dort den Mann meiner Träume zu treffen. Wie sagt man so schön? Die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber inzwischen brauche ich wohl einen Bestatter – denn meine Hoffnung hat sich heute Abend freiwillig in die ewigen Jagdgründe verabschiedet.“ Leif knetete den Teig, während er mir zuhörte. Es faszinierte mich, mit wie viel Leidenschaft er bei der Sache war. Mein Herz machte einen kurzen Hüpfer, als er mich direkt ansah. In seiner Stimme schwang ein amüsiertes Lächeln mit, als er sagte: „Jetzt verstehe ich, weshalb du Heißhunger auf meine fabelhaften Zimtschnecken hast. Nach so einem Abend bräuchte ich wahrscheinlich eine Lkw-Ladung meiner Lieblingschips, um das Trauma zu verarbeiten.“ Wir brachen beide in Lachen aus. Nicht einmal in meinen schönsten Träumen hätte ich mir vorstellen können, dass sich dieser furchtbare Abend noch so entwickeln würde. „Erzählst du mir mehr über das Speeddating?“ Fragte Leif neugierig. Ich nickte. Irgendwie fand ich seine Neugier süß – und wieder sammelte sich das Blut in meinen Wangen. Verlegen verschränkte ich die Hände ineinander und begann, unsicher mit meinen Fingern zu spielen. „Ein Date dauert sieben Minuten“, erklärte ich. „In dieser Zeit hast du die Möglichkeit, deinen Gesprächspartner kennenzulernen. Nach dem Speeddating kannst du zu Hause eine Online-Bewertung abgeben. Sollte es eine Übereinstimmung geben, steht einem weiteren Treffen nichts im Weg.“ Ich seufzte leise. „Ich für meinen Teil bin damit fertig. Ich werde nie wieder zu so einer Veranstaltung gehen.“ Leif hielt in seiner Bewegung inne. Sein Blick wurde intensiver, und für einen Moment wusste ich nicht, wie ich mit der Situation umgehen sollte.


© Sabine Knauf 2025-07-02

Genres
Romane & Erzählungen