13 Eine unangenehme Erfahrung

Karin Lang

von Karin Lang

Story

Ihre Wohnung ist fast genauso klein wie seine eigene. Es riecht nach einer Mischung aus Rauch und Parfüm. Christian versteht nicht mehr, warum er mitgegangen ist. Beinahe muss er lachen. Doch das Lachen vergeht ihm wieder, als Linda ihn auf das Bett drückt und beginnt, sich auszuziehen. Christian bleibt regungslos liegen, was sie zu verwirren scheint. Doch sie ist zu selbstsicher, um sich davon ablenken zu lassen und nach kurzem Zögern knöpft sie ihm das Hemd auf. Sie erinnert Christian an ein Tier, das sich auf seine Beute stürzt. Er versucht sich ein bisschen freizukämpfen, aber er hat keine Chance.

„Mach dich doch mal locker!“, drängt Linda.

Er bereut seine Entscheidung, mit ihr gegangen zu sein, zutiefst. Was hatte ihn bloß geritten? Sie küsst ihn im Gesicht, am Hals, immer weiter seinen Körper entlang, bis sie am Hosenbund angelangt ist und beginnt, ihn komplett zu entkleiden. Ihm stockt der Atem. Er hat das Gefühl, sein Herz setzt aus. Er bemerkt, wie sie ihn weiter küsst, aber er fühlt es nicht. In seinem Kopf ist nichts als Rauschen, sein Atem wird immer schneller, er hat das Gefühl, ihm bleibt die Luft weg. Er hört Linda etwas sagen, aber er versteht nichts, alles klingt so dumpf. Er hört nur noch sein Herz klopfen, immer schneller und schneller. Ihm wird plötzlich übel. Er weiß nicht, was mit ihm geschieht und was ihn lenkt, als Linda ihm zwischen die Beine fasst. Er stößt sie mit einem heftigen Ruck weg.

„Hör auf!“, ruft er. Er atmet immer noch viel zu schnell, aber er kann jetzt wieder klar wahrnehmen, wie Linda auf dem Boden liegt, die Augen vor Entsetzen weit aufgerissen.

„Spinnst du?“, schreit sie und springt auf. Christian kann nicht fassen, was gerade passiert ist.

„Es… Es tut mir leid…“, stammelt er, und sucht nach seiner Kleidung.

„Verschwinde bloß! Na los, mach, dass du hier rauskommst!“

In Windeseile zieht Christian seine Hose wieder an und schmeißt sich sein Hemd über, dabei versucht er sich immer wieder zu entschuldigen, aber Linda will ihn einfach nur aus der Wohnung haben. Er knöpft sein Hemd zu, während er die Treppe im Hausflur runterrennt. Linda schlägt hinter ihm die Tür mit einem heftigen Knall zu. Er rennt zur nächsten Haltestelle. In der Bahn sitzt er ganz allein. Er fühlt sich unglaublich unwohl. Das Licht in der Straßenbahn ist so hell, dass er draußen nichts erkennen kann. Er sieht bloß sich selbst im Fenster, wie er da sitzt und nicht weiß, wohin mit sich selbst und seinen Gedanken.

Wie kann es sein, dass sein Kopf entweder viel zu voll ist oder komplett leer? Warum will er vor lauter Gedanken manchmal einfach nur seinen Kopf gegen die Wand schlagen, und warum ist da manchmal nichts, wirklich gar nichts in ihm? Er fängt an, die Sitze in der Bahn zu zählen. Dann zählt er die Lampen. Er zählt die Fenster und die Türen, und dann multipliziert er die Anzahl der Fenster mit der Anzahl der Sitze, und teilt diese dann durch die Anzahl der Türen und versucht mit der logischen Mathematik wieder Klarheit in seine Gedanken zu bringen.

© Karin Lang 2022-08-13