von Larissa Heüer
Aufgebrezelt ohne Ende machten wir uns auf den Weg und feierten bis zum Abschuss. In der letzten Bar angekommen, wartete dann der Höhepunkt auf uns – ein Wet T-Shirt Contest. Wir waren so betrunken und hatten soviel Spaß, dass wir uns erst nicht weiter darum kümmerten. Als ich dann kurz allein an der Bar war, um eine weitere Runde Getränke zu bestellen, sprach mich aber auf einmal ein unglaublich süßer, rothaariger Neuseeländer an. Oh, dieser Akzent! Ja, ich hatte mich in den letzten Monaten durch so einige Nationalitäten geknutscht. Aber obwohl ich Neuseeländer am schnuckeligsten fand, war es doch schwer, sich als Reisende so richtig mit Einheimischen anzufreunden oder mehr. Aber da war er nun, James, Neuseeländer, zum Anbeißen, und baggerte mich an der Bar an.
Irgendwann neckte er mich dann mit dem Wet T-Shirt Contest und stichelte, dass ich mich nicht trauen würde mitzumachen. Ha, da kannte er mich aber schlecht! In meinem betrunkenen Zustand überzeugte ich auch meine Kolleginnen mitzumachen und so fanden wir uns fünf Minuten später hinter der Bühne, mit einem Kopfkissenbezug in der Hand, den wir selbst als T-Shirt „designen“ durften (Scheren und betrunkene Mädels sind keine gute Idee!!!). Zack, zack, hatte ich vier Löcher in den Bezug geschnibbelt, Beine, Kopf und Arme durch, fertig. Nach und nach wurden wir dann zu tobendem Applaus und ohrenbetäubender Musik auf die Bühne gerufen, wo die Barkeeper krügeweise eiskaltes Wasser über unsere Köpfe kippten. Wow, war echt nicht mein bester Moment.
Auf einen Schlag wieder nüchtern, Eiswürfel sei Dank, versuchte ich danach, frierend meine Klamotten in dem Chaos hinter der Bühne zu finden. Ich hatte meine schwarze Strumpfhose auf der Bühne angelassen, ansonsten wäre ich ja fast nackt gewesen. Jetzt fiel mir mit Schrecken auf, dass ich mit dieser nassen Strumpfhose weiterhin herumlaufen musste. Aber auf einmal stand James wieder vor mir und als er sah, wie ich vor Kälte zitterte – die Nächte waren im April schon richtig eisig – war er auf einmal ganz besorgt, gab mir seine Jacke und fragte, ob er mich nach Hause bringen sollte, sodass ich mich umziehen könnte. Das hatte der doch eiskalt geplant, oder!?
Aber im Backpacker angekommen, wartete James ganz brav vor meiner Tür, und dann liefen wir wieder lachend und quatschend zurück zum Club. Was für ein Gentleman. Doch der nächste Morgen war der reinste Albtraum und es ging mir hundeelend. James‘ Gesicht konnte ich gar nicht mehr klar vor mir sehen und Nummern hatten wir nicht ausgetauscht. Ich hätte heulen können. Ich wusste nur, dass er im Supermarkt um die Ecke jobbte. Aber da ich mich nicht mehr so richtig an ihn erinnern konnte, hatte ich Angst, dort vorbeizugehen. Meine Kollegin Elaine hatte aber schon einen Plan und schleppte mich ganz unschuldig zum Einkaufen. Sie war typisch französisch – elegant, liebte Mode und vor allem nahm sie das Liebesleben ihrer Mitmenschen sehr ernst.
© Larissa Heüer 2023-01-01