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Vivien Hoyer

von Vivien Hoyer

Story
fiktive Universität

An die nächsten Stunden kann ich mich kaum noch erinnern. Alles zog nur so an mir vorbei, die endlosen Gänge der Uni und die grelle Straßenbeleuchtung in der Dunkelheit. Ich wollte in mich zusammenfallen und verschwinden, aber mein Körper ließ mich nicht. Ich musste gehorchen. Wenn ich nicht so viel Angst gehabt hätte, hätte ich bestimmt längst aufgegeben. Wieder ganz bei mir war ich erst mitten in einem Stück Wald, wer weiß wo, und scharrte mir in der nassen Erde die Finger wund. Mona war auch da. Ihr Dutt bewegte sich in der Dunkelheit im Takt ihrer Handbewegungen.


Gegen die Lichtverschmutzung in der Ferne bemerkte ich dann Levinias Silhouette über unseren Köpfen am Rand des Loches, als sie sagte, wir hätten tief genug gegraben. Am liebsten wäre ich mit Bephy in der Erde verschwunden. Ich wollte nicht wieder mit zu ihr nach Hause. Aber wenn sie das forderte, stand das außer Frage. Gemeinsam mit Mona rollte ich Bephys Körper bis zur Mündung des Abgrundes, bis er sie von selbst verschluckte. Niemand würde sie suchen, vor allem nicht hier, hatte Levinia gesagt, also war es das Richtige. Ich konnte nichts Lebendiges aus ihrer Stimme hören, als sie uns erlaubte, zu gehen, wenn wir das Loch verschlossen hatten. Und dann war sie fast schon dabei, uns im Wald alleine zu lassen, als sie mich daran erinnerte, was ich ihr gestern versprochen hatte. Mona sollte mir helfen und ihn an den Ort bringen, den sie für unser nächstes Ritual im Sinn hatte.


Als sie weg war, standen wir noch lange da und hörten den Bäumen zu, wie sie im Wind knackten. „Mona. Ich kann Mik nicht umbringen. Aber ich hab’ so eine Angst vor ihr.“ Sie schien nicht überrascht von der Aufgabe, die ich bekommen hatte. „Ich auch. Sie ist viel zu mächtig für uns beide.“ Das Loch hinter uns klaffte uns an wie eine Einladung. Vielleicht hatten wir es verdient, auch dort unten zu liegen. Aber nicht Mik. „Ich weiß es nicht.“




Obwohl Mona unten auf mich wartete, brachte ich es lange nicht über mich, den Schlüssel umzudrehen. Ich war mir so sicher, dass Mik mich wieder aus der Tür jagen würde. Mich anschreien oder mich nur wortlos ansehen, damit ich merkte, wie sehr ich ihn enttäuscht hatte. Aber nichts von all dem passierte. Kaum, dass ich ihn sah, brach ich zusammen und konnte nichts anderes als weinen, und er setzte sich zu mir auf den Boden und hielt mich fest. Es war nicht so verschlingend und betäubend, wie wenn Levinia das tat, eher so, als würde er mich daran erinnern, dass ich nicht ganz verschwunden war aus dieser Welt. Wenigstens ein letztes Mal wollte ich dieses Gefühl noch für mich haben.


© Vivien Hoyer 2024-08-31

Genres
Spannung & Horror
Stimmung
Dunkel, Emotional
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