15. Schneeweiß

Anne-Sophie Blanke

von Anne-Sophie Blanke

Story

„Hallo?“, krächzte er mit noch belegter Stimme in sein Telefon. Ich stand in der Küche, begnügte mich damit Pancakes zu machen und hörte dabei Musik. Ja, auch ich konnte an irdischen Aktivitäten Freude haben. Benjamin kam in die Küche gelaufen. Aufgeregt erzählte er mir von dem Telefonat: „Es war Christina, Christina Frey. Sie hat mich gefragt, ob ich sie im Krankenhaus besuchen komme!“. Der Glanz in seinen Augen, ließ ihn jünger aussehen, frischer und munterer. Ich kann nicht leugnen, dass es mich mit Glück erfüllt ihn so zu sehen. Jeder hat es verdient glücklich zu sein. Die nächsten Tage vergingen wie im Flug.

Benjamin hatte das Großprojekt Wohnung gestartet. Gemeinsam mit Fiona und ihr Mann Jasper waren ihm eine große Hilfe, bei der Auswahl der Wandfarben und der neuen Möbel. Im Handumdrehen hatte sein zu Hause einen neuen Anstrich verpasst bekommen, der es sehr viel wohnlicher machte. Sein Treffen mit Christina verlief gut. Er hatte mir anschließend alles berichtet. Ich hatte ihn bis zum Krankenhaus begleitet, ihn darin bestärkt, dass er das Richtige tat. Die beiden hatten sich blendend verstanden, entdeckten Gemeinsamkeiten und Benjamin lachte von Herzen. Das Wiedersehen war bereits vereinbart. Francesco half ihm einen Therapeuten zu finden, denn auch wenn Benjamin den Gedanken an Selbstmord besiegt hatte, so musste er nun dafür sorgen, dass es so blieb. An dem Tag, an dem er zu Lauren und Harry ging, war der Tag, an dem auch ihn verlassen würde. Er trug bereits seine Schuhe, die Schlüssel aufbruchsbereit in der Hand, als er sich zu mir umdrehte: „Du wirst heute gehen, oder?“. „Ja, das muss ich“, gab ich zurück. „Danke, Mortimer. Für alles“, sagte er. „Auf Wiedersehen, alter Freund“, verabschiedete ich mich. Er umarmte mich fest, bevor er aus der nun türkisgrünen Tür ging. Als sie ins Schloss fiel, war ich verschwunden.

Der Schnee fiel auf die Straßen, sodass es aussah, als hätte jemand Puderzucker über die Hausdächer gestreut. Heiligabend. Seit dem Sommer war viel Zeit vergangen, es hatte sich alles geändert. Aus dem Einfamilienhaus drang Licht hinaus in die verschlafene Welt. Gelächter hallte durch die Räume, erfüllten sie mit Leben und Freude. Christina saß mit Benjamin auf dem Sofa, während Francesco mit Fiona darüber stritt, welche Pasta Sorte die Beste war. Jasper schmunzelte, was sich in ein Grinsen verwandelte, als er Maria, Francescos Partnerin ansah. Die Tür schwang auf. Harold stürmte schwanzwedelnd ins Zimmer, gefolgt von seinen Herrchen. Lauren reichte Champagner herum, während Harry den Kamin ein weiteres Mal anfeuerte. Es war bitterkalt, die Schneeflocken tanzten zu der Melodie des Windes einen Walzer, der einzigartig war. Es klingelte an der Tür. Verwundert sahen sich die Anwesenden an. Es waren doch alle da. Benjamin erhob sich, küsste seine Freundin auf die Stirn und ging zu Haustür. Mit einem Blick über die Schulter, um Harold am Entwischen zu hindern, öffnete er die Tür: „Ja bitte?“. „Hallo, alter Freund“, begrüßte ich ihn. „Mortimer?“, rief er erfreut. Ich war in der Nähe.

Am Tag darauf fand man die Nachbarin tot in ihrem Bett auf.



© Anne-Sophie Blanke 2024-09-06

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Dunkel, Emotional, Hoffnungsvoll