von Amelie Albrecht
18 Jahre ist ein komisches Alter. Wird groß gefeiert und so. Endlich erwachsen. Endlich Alkohol kaufen und Auto fahren und selbst unterschreiben und Steuern zahlen und Was Willst Du Aus Deinem Leben Machen? und Wann Gründest Du Eine Familie? und Du Bist Doch Fast Noch Ein Kind. Endlich Schule fertig, Job und ausziehen. Was lernen und abbrechen, weil man verdammt nochmal nicht weiß, was man überhaupt lernen will. Gebt den Kindern doch mehr Zeit. Wie sollen sie wissen, was sie sein wollen, wenn sie den ganzen Tag nur mit Schule beschäftigt sind?
Schule endet, Freundschaften enden. Man zieht dorthin und dahin und schreibt sich nochmal über WhatsApp und weiß sehr schnell, dass der Schwur „Wir werden uns nie aus den Augen verlieren!“ ziemlicher Bullshit ist. Was macht man jetzt? Man sieht zu, dass man so schnell wie möglich in sicheren Händen landet. Dass man unabhängig wird, so wie es von einem erwartet wird. Schmeißt den jungen Menschen in die Gesellschaft und seht zu, wie er es meistert! Es ist, als würde man ein Kind, dass noch nicht sehr gut schwimmen kann, mitten in einen Swimmingpool werfen. Es wird panisch anfangen zu schwimmen und zu rudern bis es etwas erreicht, woran es sich festklammern kann.
Ich wollte gerade schreiben, dass ich es nicht so machen will, aber die Wahrheit ist, dass ich genau das selbst tue. Meine Mom hält viel davon, dass man jungen Menschen Zeit lassen muss, sich selbst zu finden, am besten, indem sie reisen. Aber das ist mir zu teuer. Ich will niemandem auf der Tasche liegen. Also fange ich ein FSJ an, damit ich irgendwas tue. Ist es nicht schlimm, dass man ständig irgendetwas tun muss? Wer hat sich das ausgedacht?
Ganz gut, das FSJ. Arbeitserfahrung sammeln und so. Was für mich Gift ist, ist die Struktur. In der Kita arbeite ich, und für die Kinder ist es wohl Gold wert, diese Struktur zu haben, nach dem kommt das und dann kommt jenes. Für mich aber ist es wirklich nicht schön. Heute schon zu wissen, was morgen zu tun ist; wem kann das Spaß machen? Wahrscheinlich Leuten, die nur noch ihre Ruhe haben wollen. Dafür bin ich zu jung.
Achtzehn. Es fühlt sich so an, als würde ich nie älter werden. Ich bleibe jetzt für immer achtzehn. In gewisser Weise glaube ich sogar, dass wir alle geistig im Alter von achtzehn stehen geblieben sind. Neunzehn? Das ist ein Fake. Zwanzig ist auch Fake. In zwei Jahren soll ich eine vollwertige zwanzigjährige junge Dame abgeben? Ich fühle mich jetzt erst wie fünfzehn.
Man denkt viel über Zukunft nach. Möchte wissen, wie und wo man in dreißig Jahren ist. Ignoriert geflissentlich, dass so ziemlich alle Lebensläufe ein paar unvorhergesehene Ecken und Kanten haben. Ich habe noch nie einen Erwachsenen getroffen, den das Leben nicht überrascht hat. Also bitteschön Leben: überrasch mich! Aber eigentlich warte ich nicht gerne auf Schicksal. Ich überrasche mich lieber selbst.
© Amelie Albrecht 2021-02-26