2) Annie

Selina Kissmann

von Selina Kissmann

Story

»Hey, wo willst du hin?« Lukas kam um die Ecke gerannt und packte Annie am Arm. Sofort riss sie sich los.

»Tun, was längst jemand hätte tun sollen. Er ist seit zwei Tagen hier und kaum einer hat auch nur ein Wort zu ihm gesagt.« Lukas zog seine Augenbrauen zusammen, als wolle er nicht, dass sie geht, doch das war ihre Entscheidung.

Sie brachte nicht mehr, als ein halb verschlucktes „Hi“ heraus, als sie zu Felix trat. Tom hatte ihnen ausdrücklich gesagt, sie sollten sich von dem Neuen fernhalten. Dabei war er genauso lange im Bunker, wie sie alle – nur eben nicht bei Bewusstsein.

»Wer bist du?«, fragte Felix. Annie antwortete kurz und knapp. Vielleicht war sie doch etwas unsicher, doch sie wusste, sie tat das Richtige.

»Freut mich Annie. Ich bin Felix, aber das weißt du ja sicher schon.« Natürlich wusste sie es. Jeder wusste, wer er war. Er stand schließlich auf der Liste. Eine Liste, die er nicht kennen konnte, da er im Koma lag, weshalb er einige Fragen hatte.

»In jeden Bunker sind vierzehn Menschen gekommen.« Es war unschwer aus seinem Gesicht abzulesen, dass er am Rechnen war. In Europa wurden genau 658 Menschen wurden gerettet. 658 von über 750 Millionen.

Mit einem Blick zur Seite musste Annie schmunzeln. Bestimmt kannte Felix kaum jemanden aus ihrer Gruppe. Glücklicherweise stand ihnen ein Rollstuhl zur Verfügung. Der Bunker mochte recht klein sein, doch von Felix Bett aus war kaum etwas zu sehen.

»Tom und Emma kennst du ja bereits. Tom ist wie unser Anführer und Ben, da vorne, ist sozusagen seine rechte Hand. Wenn er nicht gerade bei Emma ist, ist er bei Tom. In der Ecke rechts sitzen Marie und Silvie. Marie ist die mit dem Kind im Arm. Ihr Name ist Lilly.«

»Ist es ihr Kind?«, fragte Felix, die Frauen musternd, die fröhlich miteinander plauderten.

»Nein, Lillys Mutter hat kein Los erhalten. Marie kümmert sich nun um die Kleine. Sie macht das wirklich gut. Der Junge, der uns von dort drüben schräg anguckt, heißt Lukas. Er ist nett, nur etwas schüchtern. Und der Typ, der sich mit Tom unterhält, da vorne, heißt Maik. Ich empfehle, bei ihm auf Abstand zu bleiben.«

»Wer ist das da drüben an der Wand?« Felix zeigte auf ein blondes, zusammengekauertes Mädchen, das still ins Nichts starrte. Annie senkte ihre Stimme ein wenig.

»Das ist Merle. Sie hat noch kein einziges Wort gesagt.« Annie drehte den Rollstuhl etwas, damit Felixs Blick auf Adriana gelenkt wurde. Von der wusste Annie allerdings bloß, dass sie die ersten 3 Tage quasi nur geschrien hatte.

»Und die beiden, die so abgeschottet sitzen? Was ist mit denen?«

»Oh, das sind Marco und Julia. Die meisten hier möge sie nicht besonders.«

»Weshalb?«

»Nun, sie sind Geschwister. Wie stehen die Chancen dafür?«

© Selina Kissmann 2022-04-03

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