2. Socken aufhängen

Die Herren Gedanken folgen mir wie Schatten, während ich meinen täglichen Aufgaben nachgehe. Mein Weg führt mich zunächst in die Waschküche, die sich im Keller befindet. Eine sich um eine imaginäre Achse windende Treppe, bestehend aus grauem Marmorstein, müssen wir hinabsteigen. Da die Treppen zur Achse hin ziemlich schmal werden, können wir nur einer nach dem anderen gehen – im Gänsemarsch, bedächtige Schritte setzen wir.

Selbstredend führe ich die Truppe an und gehe daher auch als Erste. Die Nachhut bildet einer der Vögel, die in meinem Haus wohnen. Ich halte sie nicht in Bauern, da das Dach meines Hauses sie vom Himmel der Freiheit scheidet – und das ist doch wahrlich Käfig genug. In meinem Haus dürfen sie fliegen, wohin sie wollen, und wenn sie sich nur in die Küche begeben, um dem Wasserhahn einen durststillenden Tropfen zu entlocken.

Ich öffne die Tür und gemeinsam betreten wir die Waschküche. Ein Geruch von frisch gewaschenen Socken hängt in der Luft. Sie liegen zwar noch eingesperrt in der Waschmaschine, doch ihr Duft ist so betörend, dass er durch das Metall dringt und gewiss auch durch die Hauswände. Mich würde es nicht wundern, wenn selbst die Nachbarn bei günstig stehendem Wind eine Brise schnuppern könnten.

Ich schnappe mir einen leeren Wäschekorb, der mitten im Raum steht und gehe zur Waschmaschine. Ich stelle den Korb ab und öffne die Maschinentür, woraufhin sich das Sockenaroma intensiviert.

Das Aroma der frisch gewaschenen Socken bohrt sich in meine Nase und wühlt mich auf eine angenehme Art und Weise auf. Ich kann gar nicht anders, ich muss mich aufrichten und meine Nase in die Luft recken. Herrlich duftet es und ich muss, einem Hund nicht unähnlich, den lieblichen Duft erschnüffeln, der sich in der Waschküche ausbreitet. So sehr sauge ich den Sockenduft in mir auf, dass ich das Gefühl habe, mit den Socken eins zu werden. Ich laufe im Kreis, tanze fast, meine Gedanken tun es mir gleich. Auch sie strecken ihre Riechkolben in die Luft und stolzieren schnüffelnd durch den Raum.

Es fühlt sich so an, als hätten wir eine geheime Bruderschaft gegründet, die nur für diesen Moment existiert, in dem Socken nicht stinken können. Sie sind rein, tabula rasa, jungfräulich, doch das wird sich bald ändern, wenn sie mit dem ersten Paar Füße körperlich verschmelzen. Die Geheimnisse der Welt verbergen sich in den Socken der mächtigen Menschen. Man müsste eine Fliege sein, um sich nah genug herantasten und eine Nase riskieren zu können.