von Amelie Roth
Ich renne.
Ich renne pausenlos, immer weiter, Richtung Weltende.
Ich lasse alles hinter mir und komme dem Sonnenuntergang immer näher. Mein Herz pulsiert, ich kann es schon fast spüren, diese Unversehrtheit auf die ich mein ganzes Leben lang gewartet habe.
Keine Gewalt, kein Geschrei, keine Erniedrigungen, einfach kein Schmerz mehr.
Liebe, Trost, Ruhe, Frieden, das pure Glück.
Ich atme schneller und tiefer ein, schließe die Augen und genieße das Gefühl des Windes in meinem Haar. Unter meinen Schuhen höre ich das Gras mit jedem Schritt, den ich wage. In meiner Umgebung zwitschern Vögel. Es dauert nicht mehr lange, ich kann es kaum erwarten.
Ich öffne meine Augen wieder und befinde mich auf einem riesigen Blumenfeld. Ich bleibe kurz stehen, atme tief ein und versuche mein Adrenalin auf einem angemessenen Level zu behalten, doch es misslingt mir. Ich bin überfordert von der Schönheit der Natur, die mich umgibt. Das ist alles, was ich mir je gewünscht habe.
Seelenfrieden.
Plötzlich verspüre ich den Drang mich zu setzen und so falle ich auf die weichen Blüten und sehe nach oben. Die Sonne ist schon beinahe in den Nachthimmel verschwunden, nur noch einige letzte Strahlen sorgen für Licht. Ich frage mich wie sich andere mit einem normalen Leben zufriedengeben können. Es scheint mir surreal, dass es wahrhaftig Menschen gab, die das was ich momentan erlebte, nicht erleben konnten. Ihnen fehlte die Vorstellungskraft. Sie taten mir leid.
Ich mochte das Gefühl der Freiheit, losgelöst von all meinen Pflichten, dennoch wusste ich ganz tief in mir drinnen war dies alles nur Wunschdenken.
Ein Tagtraum der Bedürfnisse.
© Amelie Roth 2022-07-19