2. Teufel oder Held

Nele Kruse

von Nele Kruse

Story

Der Mann, der eintrat, war keine Wache, das sah ich auf den ersten Blick. Beim zweiten Hinsehen wurde mir mit einem eisigen Schauer klar, dass er nicht mal ein Mensch war. Im Gegensatz zu den Gerüchten war er kein hässlicher Zwerg. Er war nicht sonderlich groß, das ist wahr, aber das sind die Feeischen nie. Vielleicht ein paar Zentimeter größer als ich. Gekleidet wie der Adel in ein dunkelblaues Hemd wirkte er fein, wäre da nicht dieses schiefe Grinsen gewesen, das fast bis zu seinen etwas zu spitzen Ohren reichte.

Dass er an den Wachen vorbeigekommen war, wunderte mich nicht. Ich wusste ja, was er war. Gerade deshalb ließ ich mir meinen Schreck nicht anmerken. „Ich bin auch keine Dame.“ Stoisch schob ich das Kinn vor. Abwehr war die einzige Reaktion, die ich kannte.

Das Feenwesen kam auf mich zu, Hände in den Hosentaschen, immer noch grinsend. Es hatte kastanienbraune Haare und fast schwarze Augen, die über mich wanderten. Nicht gierig, nur neugierig. „Eine einfache Müllerstochter.“

„Woher wisst Ihr das?“

Es hob die Hände. „Na, na, kein Grund zur Höflichkeit. Wir sind doch unter uns. Und ich glaube, du weißt ganz genau, woher ich das weiß.“

„Wer bist du?“, fragte ich ruhig.

„Man nennt mich Rumpelstilzchen.“ Ja, es sagte mir seinen Namen. Schon bei unserer ersten Begegnung.

Ich merkte etwas zu spät, dass ich die Nase gekräuselt hatte. „Komischer Name.“

Es – er zuckte die Achseln. „Es könnte schlimmer sein. Man könnte mich Eure Majestät nennen.“

Ich konnte nicht anders, als zu kichern, wenn auch eher panisch als wirklich amüsiert. Das Heu unter mir erinnerte mich piksend wieder an meine Situation, und ich erhob mich schnell. Was ging hier eigentlich vor? Ich war in eine Kammer voller Stroh gesteckt worden und vor mir versperrte ein Feenwesen den Ausgang. „Was willst du von mir? Einen Handel? Wie du schon sagst, ich bin nur eine einfache Müllerstochter.“ Und trotzdem hatte man mir immer geraten, mich von den Feeischen fernzuhalten. Sie brachten nur Böses. Rätsel, Tricks und Verträge mit dem Teufel.

Rumpelstilzchen grinste mich frech an. „Es ist wirklich unglaublich, wie ihr Menschen uns Feen immer verdächtigt. Dabei ist es doch dein König, der dich hier mit einer selten dummen Aufgabe eingesperrt hat. Und weißt du, wieso?“ Ich schüttelte den Kopf. „Weil er einfach gerne seine Macht ausnutzt. Ich bin nicht das Monster, das du suchst.“

„Was willst du dann?“, fragte ich vorsichtig. Ich war nicht so dumm, ihm einfach so zu vertrauen.

Diesmal war sein Lächeln wärmer, aber ich wusste, wie gut die Feeischen täuschen konnten. Dazu waren sie gemacht. „Ich will dir helfen.“

© Nele Kruse 2023-01-21

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