von Sira
2009 verbrachten meine Eltern, meine Schwester und ich Ostern in einem Hotel im Sauerland, wo wir gelegentlich Urlaub machten. Meine Eltern unterhielten sich irgendwann eher beiläufig darüber, dass sie eigentlich noch keine Lust hatten, nachhause zu fahren. Sie nannten ein paar Orte, an die wir noch fahren könnten, falls sie sich wirklich dazu entscheiden sollten. Dass das noch längst nicht der Fall war, war mir völlig egal, als ich „Venedig“ unter den Vorschlägen hörte. Unbedingt mussten wir dahin! Ich liebte die Bücher über die Fließende Königin von Kai Meyer, noch mehr den Herrn der Diebe von Cornelia Funke, und beide Geschichten erzählten von der alten Magie der Stadt der Brücken. Ich bettelte und argumentierte gleichermaßen. Meine Eltern erklärten mir, dass das doch nicht wirklich ernst gemeint war; ich blieb lange hartnäckig. Schließlich erklärte ich resigniert, „Ich verstehe es ja auch, aber ich würde so gerne!“ Lachend schubste meine Mutter mich in den Pool und sagte, sie und mein Vater hätten nur darauf gewartet, dass ich es einsehe – ja, wir fahren.
Am Ostermontag fuhren wir in aller Frühe los, denn die Fahrt dauerte zwölf Stunden. Bald beschlich mich die Sorge, ich könnte zu hohe Erwartungen an Venedig haben, ich kannte es ja nur aus Fantasy-Romanen, und ich wappnete mich, um nicht enttäuscht zu werden. Am Dienstag erkundeten wir die Stadt. Zerschlagen wurde meine Befürchtung. Venedig war so wunderschön! Ich war begeistert. Die Kanäle spannen ein unüberschaubares Netz, die Fassaden spiegeln die Kunst längst vergangener Epochen, Wasser plätschert gegen Gemäuer und die schaukelnden Gondeln. Überall Brücken. Ganz klassisch aßen wir Pizza und Eis, wobei wir feststellten, dass der italienische Eisladen bei uns zu Hause besseres Eis hat. Wir kauften Karnevalsmasken mit Glitzer und hohen Federn, außerdem Stifte aus Glas. Meine Handschrift zählt zwar zu den Schlimmsten, die ich je gesehen habe, aber ich liebe Kalligrafie und einen Federhalter aus Glas fand ich unwiderstehlich. Die Glasbläserei war überhaupt das Faszinierendste: von Murano, einer Inselgruppe bekannt für ihre Glasbläser, stammten unzählige Kunstwerke. Ich sah eine gläserne Standuhr mit komplexem Arrangement an Zahnrädern, Luftballons aus Glas, die unter der Decke „schwebten“, sogar ein Aquarium mit gläsernem Wasser und Fischen.
Zu meiner Begeisterung schlenderten wir auch über den Piazzetta San Marco und ich konnte den geflügelten Markuslöwen, welcher sowohl bei Meyer als auch bei Funke eine Rolle spielt, sehen. Hoch oben thronte er auf seiner Säule und sah auf uns alle herab. Nur nicht auf die Tauben, die tummelten sich wirklich überall, auch auf ihm. Was er wohl schon alles gesehen hat?
Am Mittwoch lagen 1.400 km vor uns. Nach etwa 15 Stunden Fahrt kamen wir gegen Mitternacht endlich zu Hause an. Schnell ausgepackt, alles vorbereitet für den nächsten Morgen, denn da ging die Schule wieder los. Was für ein herrliches Erlebnis!
© Sira 2021-01-19