von dieschreiberei
Als Lill die Tür öffnet, blickt ihr eine Flasche Prosecco entgegen. Dahinter ein paar abgeknickte, kahle Tulpen. „Sag nichts“, stöhnt Mia, ihre beste Freundin, und schiebt Lill zur Seite. Ihre Haare sind zersaust. Mit lauter Untermalung landet der Prosecco am Tisch, die Tulpen daneben. Lill hat ihre miese Laune vergessen, das blutende Knie der Freundin hat jetzt Priorität. „Was um Himmels willen…“, deutet sie auf Mias Knie. „Scooter, Radlager, Köpfler auf die Straße. Und sag jetzt bitte nicht, ich hab´s dir ja gesagt. Das hast du zwar, aber das will ich jetzt nicht hören“, flucht ihre Freundin und lässt sich auf den Sessel plumpsen. Wortlos geht Lill ins Badezimmer und kommt mit dem Verbandskasten zurück. Bedacht und voller Vorsicht reinigt sie die Wunde, dann überdeckt sie sie mit einem überdimensionalen Pflaster. „Aus dem Auge, aus dem Sinn“, murmelt sie. „Endlich hat ihn das Zeitliche gesegnet. Viel zu lange hat er im wahrsten Sinne des Wortes herumgeeiert“ murmelt Lill beim Zurückbringen des Verbandskastens. „Und mich beinahe auch“, ruft ihr Mia hinterher.
Der Prosecco füllt prickelnd den Mund aus. Die Bläschen kitzeln den Gaumen. Beide lachen und fühlen sich für den Moment schwerelos. Was beim Schreien vom Balkon nicht gelang, funktioniert jetzt ganz leicht. „Hast du dir die Öffnungszeiten angesehen?“, bricht Mia die Blase, in der beide schweben. „Geschlossen wegen Personalmangels, dein Plan ist vor seiner Durchführung gestorben“, wehrt Lill ab. Mit einem Blick in ihren Rucksack ruft Mia erfreut: „Sie hat es überlebt. Hab´ sie für den Fall der Fälle eingepackt“. Zum Vorschein kommt eine Druckerpatrone. Lill sieht sie verständnislos an. „Ich will ja nichts sagen, aber vielleicht sollten wir doch ins Krankenhaus fahren. Bist du dir ganz sicher, dass der Kopf nichts abbekommen hat?“, sieht Lill Mia fragend an. Mia blickt ihr mit hochgezogenen Augenbrauen entgegen. Schüttelt den Kopf und steht mühevoll auf. Humpelnd verschwindet sie im Schlafzimmer.
„Tja, was soll ich sagen?“, steht Mia fragend vor dem Drucker. „Puh, ihm nichts mehr. Der ist genauso kaputt wie dein Scooter“, bricht Lill trotz der miesen Umstände in lautes Gelächter aus. Mia kann ebenfalls nicht mehr an sich halten. Nach einer Weile schlagen die Freudentränen in Trauertränen um. Lill schnäuzt sich laut die Nase und murmelt mit tränenerstickter Stimme: „Sehen wir es ein, Lintje und Brendan bleiben eine Romanze, von der niemand je etwas erfährt“. „Morgen ist auch noch ein Tag und morgen hat der Copy-Shop seine Tore für uns geöffnet. Ich sage dir, mein Plan ist die Spitze des Eisbergs. Wir beginnen nämlich oben und arbeiten uns nach unten. Bei uns steht nicht das Fundament an erster Stelle, wir kitzeln die Menschen mit der Spitze“, spricht Mia geheimnisvoll. „Und jetzt hätte ich gerne noch ein paar der Blubberbläschen“, lacht sie und schenkt beiden ein Glas ein.
© dieschreiberei 2023-05-27