von Luise Barth
Wie sagt man so schön? „Deutsche Sprache, schwere Sprache.“ Das ist übrigens auch der Lieblingssatz aller Deutschen, die sich mit einem Ausländer unterhalten und feststellen, dass da noch Luft nach oben ist, dazu ein aufmunterndes Lächeln. Dass dieser Satz durchaus bewahrheitet ist, merkte ich auch schnell. Aber es hilft ja alles nichts, ohne Deutsch ist man in Deutschland logischerweise aufgeschmissen. Da ich Afghane bin, durfte ich nicht zum Deutschkurs gehen, fragen sie mich aber bitte nicht warum. „Kein Problem, dann bringe ich es mir eben selbst bei.“ Ich war so ein Optimist. Sehr, sehr oft fragte ich mich, warum ich nicht in ein Land ausgewandert war, in dem die Sprache meiner wenigstens ein bisschen ähnelt. Aber dann fiel mir ein, dass diese Länder vermutlich keine Verbesserung meiner Lebenssituation mit sich gebracht hätten. Also schön weiter üben. Meine Lieblingsmethode war, mir neue Wörter auf den Arm zu schreiben und dann so oft wie möglich in meinen Sprachgebrauch zu integrieren. Was oftmals passte aber manchmal auch nicht. Mit der Zeit wurde mein Deutsch so gut, dass ich sogar meinen Mitbewohnern etwas helfen konnte. Beispielsweise übte ich einmal mit einem von diesen, akribisch das Wort „heute“. Das saß auch bald ganz gut, deswegen nahmen wir uns als Nächstes das Wort „Zitrone“ vor. Als er das auch beherrschte, schickte ich ihn zum Supermarkt, um eine Zitrone zu kaufen. Doch als er nach einer gefühlten Ewigkeit zurückkam war er sehr wütend. Ich fragte ihn was denn passiert sei. Aber er schimpfte nur, „immer tust du so als ob du besser Deutsch könntest als wir aber dabei bringst du uns ganz falsche Sachen bei.“ Ich verstand überhaupt nicht, was er meinte. „Ich habe im Supermarkt bestimmt hundertmal gesagt, ich möchte bitte eine „heute“ kaufen, aber die haben mich überhaupt nicht verstanden.“ „Zitrone, heißt das Wort, Zitrone!“ Ich gab es auf. Leider sahen meine Mitbewohner ihre Lücken in der deutschen Sprache überhaupt nicht ein und verzichteten dank ihres großen Selbstbewusstseins öfters mal darauf, einen Übersetzer zu wichtigen Terminen mitzunehmen, wie zum Beispiel dem Zahnarzt. Es ist sehr gefährlich zum Zahnarzt zu gehen, wenn man kein Deutsch versteht. Man geht mit ein bisschen Zahnschmerzen hin und kommt mit drei gezogenen Zähnen wieder. Anscheinend lief das Gespräch folgendermaßen ab. „Soll ich den Zahn ziehen?“ „Ja.“ „Wollen sie sich das nicht nochmal überlegen?“ „Nein.“ Schließlich kann man nicht zweimal hintereinander „Ja“ sagen, sonst würde der Arzt merken, dass man kein einziges Wort versteht und das wäre natürlich wesentlich schlimmer als drei gezogene Zähne.
© Luise Barth 2022-08-25