von Karina Pohlmann
Schmerz sammelte sich in Saras Mund und als sie meinte, es keinen Moment länger aushalten zu können, löste der Fremde endlich den Kuss.
„Spuck es aus!“, sagte er mit schwacher Stimme, da hatte Sara sich bereits vornüber gebeugt. Sie spuckte Etwas ins Laub, das sich in ihrem Mund schleimig angefühlt hatte, jedoch im Freien die Form einer schwarz glänzenden, golfballgroßen Kugel aufwies, die wie ein riesiger Regentropfen zerplatzte, kaum, dass sie auf dem Boden aufkam. Die trockenen Blätter, die sie berührte, verkohlten und zischten, als würden sie brennen. „Nicht schlucken! Hier.“ Der Mann hielt Sara etwas entgegen und als sie aufsah, erkannte sie einen Flachmann in seiner Hand. „Das ist Quellwasser, spül dir damit den Mund aus.“
Sara langte nach der Flasche und ließ den Inhalt in ihren Mund laufen, bis sie würgen musste. Wieder spuckte sie aus. Mit der freien Hand stützte sie sich auf der Erde auf und besah sich keuchend den Fleck, wo das scheußliche Zeug verschwunden war. Blätter und Gras hatten sich in Ruß verwandelt.
„Trink. Dann geht es dir besser“, sprach der Fremde und stützte ihre Schulter, bis sie sich aufgesetzt hatte. Sara setzte den Flachmann abermals an die Lippen und trank gierige Schlucke. Das Wasser brannte in ihrer Kehle, rau von diesem Zeug und vom Würgen und ließ eisige Kälte zurück. Sie atmete schwer, als sie aufhörte zu trinken und reichte dem Fremden den Flachmann. Der nahm ihn wortlos entgegen und spuckte den ersten Schwall Wasser, wie Sara, ins Laub, bevor er trank. Dann schraubte er den Verschluss wieder auf die Flasche und verstaute sie in einer Tasche, die er am Gürtel trug.
„Ich danke dir“, sagte er nach einer ganzen Weile, in der sie sich, schwer atmend, einfach nur gegenüber gesessen hatten. „Du hast mir das Leben gerettet.“
„Dann… sind wir quitt…“, meinte Sara und sah zu seinem Arm. Die Linien waren noch immer da, die Schmerzen aber, schienen vorüber.
„Ich bringe dich in Sicherheit. Nicht, dass hier noch mehr von der Sorte auftauchen.“ Wie zuvor hob der Fremde Sara in seine Arme und sprang mit einem mächtigen Satz in die Lüfte. Dieses Mal jedoch, dauerte es nicht lang, bis er auf einem Pfad landete, welcher in das kleine Dorf mit Saras Unterkunft führen würde. Er stellte Sara auf ihren Füßen ab, ihre Beine noch immer wacklig, und sie griff nach seinem Arm, um sich zu stabilisieren.
„Bitte, geh direkt nach Hause“, sagte er. „Keine Umwege. Die sind nicht sicher.“ Einen Moment zögerte er, dann fuhr er fort. „Das Beste wäre es, du bliebest von jetzt an im Haus. Oder zumindest innerhalb des Ortes. Der geschützte Radius beträgt kaum eine Meile.“ Als sei damit alles erklärt, tat er einen Schritt zurück, sodass Sara ohne seinen Halt auskommen musste. „Ich wünsche dir alles Gute, Sara“, fügte er an, dann entschwand er, den Wolken entgegen und ließ Sara benommen zurück. Was genau war eigentlich gerade passiert? Warum wusste er wie sie hieß? Und wozu versetzte es ihr einen Stich, dass sie versäumt hatte, seinen Namen zu erfahren?
© Karina Pohlmann 2023-08-22