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Christian Heyn

von Christian Heyn

Story

Ich stehe auf dem Schlachtfeld und feiere meinen Sieg. Seit einer Woche nun schufte ich an der Fläche, die mal mein paradiesischer Garten werden soll. Die ausufernden Sträucher konnte ich problemlos zurückschneiden. Dabei konnte ich erbärmliches Stadtkind die gängigsten Gewächse nicht beim Namen nennen, konnte sie kaum unterscheiden. Sicher könnte ich im Herbst, anhand gefallener Früchte, einige Bezeichnungen abgeben. Doch sonst war jeder Stamm mit Blättern daran nur ein Baum für mich. Und hängen Nadeln am Ast, so nannte ich das Gewächs immerzu Tanne. Doch jetzt bin ich gebildet. Ein illustriertes Buch habe ich mir besorgt. Darin sind heimische Pflanzen abgebildet. Die Grenze zu meinem Reich bilden also Fliederbüsche. Sie streben mit so vielen Stängeln gen Himmel, dass sie einen hübschen Zaun abgeben. Die großen Laubbäume vorn am Eingang sind Linden und Eichen. Im hinteren Teil, gleich neben meiner Terrasse, steht ein massiver Haselnussstrauch unter riesenhaften Pappeln. Zwischen all den hohen Gewächsen tummelt sich so manche Blütenpflanze. Lupinen, Lilien, einige korpulente Mohnblumen. In den Ecken, da, wo das Licht noch ungehindert einfällt, entrollen sich dunkle Farne. Ein verkümmerter Rhododendron breitet seine wenigen Blätter über die Ruine eines vermoosten Steingartens. Aber auch unzählige Unkräuter haben es im Schatten der Büsche zu erstaunlicher Größe gebracht. Nun, durch meine starke Hand, liegen sie tot auf einem Haufen. Ich habe der Natur einiges an Quadratmetern entwenden können. Nur dieser verfluchte Efeu ist ein stetes Ärgernis. Dieses Gewächs ist überall. Von allen Seiten strömen die Ranken auf mein Grundstück. Und egal wie weit ich sie herausreiße, es gibt immer eine Wurzel, die zur nächsten Anhäufung dunkler Blätter führt. Es scheint überhaupt nur diese eine Efeupflanze auf der Welt zu existieren. Sie durchdringt die Berge, untergräbt die Meere, und an den geeigneten Stellen durchstößt sie die Kruste, um die Oberfläche zu überschwemmen. Nicht totzubekommen, nicht einzudämmen. Es bleibt eine Fleißarbeit, diesem Bewuchs Einhalt zu gebieten. Trotzdem habe ich für den Moment eine gewisse Ordnung in meine Ebene gebracht. Ich bin nur froh, dass irgendeine gute Seele den Efeu all die Jahre gehindert hat, meine Hauswände zu erreichen. Diese drahtigen Klauen dürfen mein Schloss nicht zu fassen bekommen. Es wäre das Ende.

© Christian Heyn 2023-08-18

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Herausfordernd, Emotional, Komisch
Hashtags