Louis ließ sich nicht lange bitten. Es dauerte keine zwei Wochen, bis er und Jana zusammen waren. Jana war unglaublich glücklich darüber, deswegen verschwieg ich, was ich von Louis hielt. Er war genau der Langweiler, für den ich ihn von Anfang an gehalten hatte. Aber Jana hatte jemand wirklich Besonderes verdient!
Wir saßen in ihrem Zimmer auf ihrem weißen Teppich und übten für die nächste Mathearbeit, zwischendurch immer wieder unterbrochen von dem Summen ihres Handys. Da ich sie nicht verletzen wollte, versuchte ich das Thema Louis einfach zu vermeiden. Wenn wir nicht darüber sprachen, konnte ich auch nichts Falsches sagen. Trotzdem stand er ununterbrochen zwischen uns. Mit jedem Brummen war er fast physisch anwesend, und ich ärgerte mich, dass man Handys erfunden hatte.
„Wir haben nächste Woche unser Einmonatiges“, sagte Jana irgendwann in die Stille hinein. „Hm“, machte ich nur, unsicher, was ich dazu sagen sollte. „Wir gehen etwas Essen, und für danach hat Louis Kinokarten besorgt.“ „Was schaut ihr denn?“ „Ich weiß nicht genau. Irgend so einen Actionfilm, den er sehen wollte“.
Ich hatte nur eine einfache Frage stellen wollen, um das Gespräch am Laufen zu halten, Interesse zu zeigen. Doch allein die Antwort auf diese eine Frage sagte schon wieder so viel aus. Ich seufzte und beschloss, das Unausgesprochene nicht länger wortlos im Raum schweben zu lassen.
„Solltet ihr nicht beide etwas von dem Abend haben?“, fragte ich also. „Vermutlich schon… Aber der Film ist sicher gar nicht schlecht“, sagte sie und wurde rot.
Ich verabscheute Louis dafür, dass er Jana so wenig wertschätzte. Als wäre sie einfach irgendeine hübsche Puppe, die er bei jedem Schritt mit sich zog, willen- und charakterlos. Wenn ich Louis wäre, würde ich mir definitiv mehr Mühe geben. Ich würde mir Gedanken machen, womit ich Jana wirklich eine Freude machen könnte, etwas Besonderes planen.
Jana war wie ein Platzhalter in Louis Leben: Sie füllte den Platz der Freundin zu seiner Zufriedenheit aus, denn sie war nett und hübsch, aber er sah nicht, wie viel mehr in ihr steckte, dass dies nur die Spitze des Eisbergs war. Ein Mädchen wie Jana auf zwei so einfache Eigenschaften runterzubrechen glich fast einer Straftat. Ich hätte wetten können, er kannte nicht mal ihren Lieblingssnack. Twix Salted Caramel.
Wir ließen das Thema wieder fallen und widmeten uns erneut Mathe. Die Stimmung war aber erst einmal dahin. Wie hatte so ein blöder Junge wie Louis, nicht besonders schön, nicht besonders schlau, einfach gar nicht besonders, es geschafft, sich so zwischen uns zu drängen?
„Ich muss mal aufs Klo“, sagte Jana irgendwann und ging raus.
Ich vermisste sie, die alte Jana. Mein Blick wanderte durch ihr Zimmer, über die weißen Möbel, die rosa Bettwäsche. Er blieb an dem kleinen Porzellanvogel hängen, der auf ihrer Kommode zwischen anderem Deko Krimskrams stand. Bevor ich auch nur darüber nachdenken konnte, stand ich auf und steckte den Vogel in meinen Rucksack.
© Sabrina Windbergs 2022-07-13