von Venus Relì
„Also, du auch hier!“ – Mein Anglistik-Professor guckt hinter der Türklinke der weit geöffneten Tür hervor und naht heran. „Versteckst dich mit deinem Getränk, was?“ – lamentiert er lammelig herbei. Ich sage: „Ja, schon. Es ist mir einfach zu laut!“ – lüge ich. Er verabschiedet sich so lammelig wie er gekommen ist und hält mir die Hand hin, als müsste ich sie küssen. Er denkt wohl, er habe sich das nun verdient, nachdem er in meine Privatsphäre eingedrungen ist. Und ich lenke schon wieder ab und sage: „Adieu, oder so!“ – Du kleiner Schädelspalter. Ich fühlte mich tatsächlich im Schädel etwas gespalten über diese Bemerkung in meinen Gedanken und der Anglistik-Professor verschwand, ohne noch einmal zurückzublicken. Ich machte mich auf den Heimweg und dachte nicht mehr viel nach, weil der Aperitif mir noch richtig ins Gehirn knallte. Ich trank das Zeug so schnell aus, als sei ich durstig auf eine Alkoholvergiftung. Naja, der Schmerz morgen macht wett, dass ich gar nicht mehr am Computer sitzen kann, weil ich eine Schreibblockade habe. Schon länger, eigentlich geht das schon das ganze Jahr. Über die Straße dann links Richtung Karl-Marx-Allee, dann wieder links in die Hintergasse hinter der Feuerwehr, dann wieder rechts. Ich war vor meiner Haustür auf eine Broschüre aufmerksam geworden, für Nachhilfeunterricht. Ich fühlte mich dumm. Dann den Schlüssel rein, Treppe hoch, ins Bett fallen. Mein Computer am nächsten Tag zeigte kein Lebenszeichen. Es musste der Akku sein. Ich zerfiel. Denn mein ganzer Fortschritt seitdem ich ein Back-Up gemacht hatte, war da drauf gewesen. Ich musste die Festplatte retten und spurtete in die Innenstadt zu so einem verwahrlosten Elektronikladen, das „by Stephens“ hieß. Höchst ungewöhnlich. Die Tür klingelte als ich eintrat und der Stephen des Hauses öffnete mir von der anderen Seite die Tür. „Hallo, Verzeihung!“ – stammele ich. „Können Sie meinen Laptop retten?“ Ich zögere. „Der Akku ist kaputt. Und das ist gar nicht gut.“ – Verstehe, sagt Stephen. „Lassen Sie mich mal sehen.“
Eine halbe Stunde später stehe ich mit meiner Festplatte, die direkt aus den Innereien meines Laptops kam, an der Bushaltestelle. Zurück zur Uni. Ich brauchte dort so einen Wisch, um mir einen vergünstigten Computer über die Uni zu kaufen. Ich habe noch 600 Euro und für 300 sollte ich so einen Dokumenten-Laptop, wie ich ihn nenne, bekommen können. „Einen Laptop, mit dem man nur ein Schreibprogramm öffnen muss, will ich.“ – sage ich zu der Verkäuferin im Uni-Shop. „Kann ich das auch online bestellen, gibt es da mehr Auswahl? Haben Sie auf die Grafikkarte geachtet?“ Die Frau hinter der Theke guckt mich entnervt an und fragt mich, ob ich den Laptop, den sie aus irgendeiner Sockenschublade hervorgeholt hat, nun kaufen möchte oder nicht. Sie räuspert sich: „Der ist blitzeblank, 1A für die Uni und das ist noch günstig.“ – Ich erwidere: „Na, gut.“ Und versuche ganz normal zu bleiben beim Anblick ihrer verwucherten Frisur und des Zigarettenqualms in der Luft. Ich denke, na also! Und checke nicht, woher ich diesen Gedanken habe. Ich kaufe den verqualmten Computer und muss mich nochmal bedanken, weil ich vergessen habe, ob ich mich bereits bedankt habe. Ich gucke noch einmal hinab auf meine Eroberung und freue mich über ein neues Kapitel: „Die verqualmte Sockenbude!“
© Venus Relì 2024-01-09