von Amahagane
Zu Hause kann ich an nichts anderes denken als an Anna. Und jeder Gedanke macht mich unruhiger. Immer wieder starre ich auf mein Handy in der Hoffnung, dass sie sich endlich meldet. Aber nichts. Stunden vergehen, in denen ich mich einfach nur auf meinem Bett hin und her wälze und mich 1000 Dinge frage.
Was hat das alles zu bedeuten? Warum hat Anna sich für mich eingesetzt? Und dann auch noch so? Ist ihr Groll gegenüber Nicole wirklich so groß, dass sie ihr eine Beziehung vortäuschen würde, nur um sie zu ärgern? Noch dazu eine homosexuelle Beziehung mit dem Loser-Nerd des Jahrgangs? Was hätte Anna denn davon? Eigentlich nichts. Nichts Positives zumindest bis auf ein kurzweiliges Gefühl der Genugtuung, Nicole eins ausgewischt zu haben. Anna zählt trotz ihrer etwas kühlen Art zu den populärsten Mädchen der Schule. Sich mit mir abzugeben, könnte ihrem Ruf immens schaden. Da würden schon ein paar freundschaftliche Gesten reichen. Aber eine Beziehung? Mit mir? Für sie ist das doch ein Totalschaden! Also warum? Welche Gründe könnten so schwer wiegen, um dieses Risiko in Kauf zu nehmen?
Und ja, ist sie nicht eigentlich noch mit Thomas zusammen? Die beiden galten als das Traumpaar des Jahrgangs. Sie die kühle Schönheit, die nicht nur im Sport glänzt, sondern auch gute Noten hat. Und er der Kapitän des hiesigen Fußball-U18 Teams, der kürzlich für die U18-Fußballnationalmannschaft gescoutet wurde. Sie schienen perfekt füreinander. Wieso sollte sie diese Beziehung aufs Spiel setzen, nur um mir zu helfen? „Das ergibt alles keinen Sinn!“, rufe ich laut aus und raufe mir die Haare, die mittlerweile vermutlich wie ein erbärmliches Vogelnest aussehen. Ein wenig später klopft es an meine Tür: „Freya? Ist alles in Ordnung?“ Meine Mutter. „Jahaaa, alles ok.“ versuche ich sie zu beschwichtigen und hoffe, dass meine Stimme normal genug klingt. Meine Mutter hat einen sechsten Sinn, wenn es um Emotionales geht. „Ok. Ich geh einkaufen. Brauchst du was?“
„Nein, alles gut. Dankeee.“ Dann verschwindet meine Mutter und ich umschlinge mein Kissen und kringele mich auf meinem Bett zusammen. Vielleicht könnte ich so zumindest einschlafen und für eine Weile einfach nichts mehr denken. Doch leider bleibt dies ein Wunschtraum, denn meine Gedanken verstummen auch nicht, als ich meine Augen schließe. Die verwirrenden Fragen kreisen weiter in meinem Kopf und dann sehe ich auch noch Anna vor mir. Ganz klar. Ihre langen dunkelbraunen, fast schwarzen Haare. Ihre grünen Augen, die durch alles hindurchzuschauen scheinen. Ihre schlanke Figur, die man ob ihrer hautengen Kleidung einfach nicht übersehen kann. Und dann … ihr Lächeln, nein … ihr Lachen. Ich habe sie noch nie so lächeln und lachen sehen wie vorhin. War das meinetwegen? War das nur für mich? ACH QUATSCH!!! Was denke ich da überhaupt? Vermutlich lächelt und lacht sie immer so und ich habe einfach nie darauf geachtet. Pfft … als ob jemand wie sie meinetwegen so lächeln würde. Dem Gedanken folgt ein langer Seufzer in mein Kissen. „Nie im Leben …“, flüstere ich zu mir selbst.
Da vibriert mein Handy. Eine Nachricht. Von Anna: „Training ist fertig. Kann ich bei dir vorbeikommen?“
© Amahagane 2024-03-10