4. Hilfe

Karina Pohlmann

von Karina Pohlmann

Story

„Hey! Hört mich jemand?“, rief Sara in den Wald. „Ich fürchte, ein Fluch ist in meinem Körper! Könnte mir bitte jemand helfen!“ Der Satz klang eher wie ein Befehl, denn sie verlor allmählich die Nerven. Ruppig zerrte sie sich den Schal vom Hals, den sie beinahe ständig trug, um das Mal zu verbergen, das seit mittlerweile zwei Wochen auf ihrer Haut wucherte. Eine sich bewegende Tätowierung hätte sicher mehr Aufmerksamkeit auf sie gelenkt, als ihr lieb war. „Ich brauche wirklich dringend Hilfe! Der Fluch wird mich vielleicht töten! Also, bitte! Hilfe!“

Schon das vergangene Wochenende hatte sie in diesem Wald verbracht. Vergeblich rufend. Bittend. Doch was blieb ihr, als weiter nach dem Fremden zu suchen, der ihr diesen Schlamassel eingebrockt hatte? Ein Arzt würde sicher nichts tun können. Schwindel packte sie für einen kurzen Moment und sie blieb stehen, um abzuwarten, dass er wieder verging. Auch das passierte nun andauernd. Sicher eine Nebenwirkung des Fluchs.

„Hilfe, verdammt! Du bist schuld, dass mich dieser Fluch getroffen hat! Also komm her und hilf mir gefälligst!“, grollte sie halbherzig und versuchte, das aufsteigende Gefühl der Panik zu unterdrücken.

Da fegte eine Gestalt aus dem Himmel, mit solcher Geschwindigkeit, dass sie auch ein Komet hätte sein können. Es war ein Mann, groß und ebenso breit gebaut, wie es der Fremde gewesen war und doch war er jemand anderer. Mit dunklen Haaren, einem dunklen Bart und freundlich blitzenden Augen. Bis jetzt hatte Sara nicht gewusst, ob sie den eigenen Erinnerungen hatte trauen können, doch hier stand er nun: Ein Fremder mit offensichtlich übermenschlichen Kräften. Aber würde der ihr helfen oder sie angreifen, wie der Kerl neulich?

Der Mann vor ihr, schien ihre Gedanken zu erahnen und hob die Hände vor die Brust. „Keine Angst. Ich werde dir nicht wehtun, Sara“, sagte er rasch, Stimme und Blick voller Mitgefühl. „Ich bin zu deinem Schutz hier, aber… Habe ich richtig gehört? Du wurdest verflucht?“ Wieder jemand, der ihren Namen kannte. Wer war sie für diese Leute? Sara suchte nach Worten, ihre Stimme aber, wollte nicht gehorchen, also deutete sie lediglich auf ihren Hals, wo sie das Mal sich bewegen spürte. Es zog, grub, wie mit scharfen Krallen, und wand sich unablässig.

Der Mann trat auf sie zu, die Augen verengt. „Das darf doch nicht wahr sein“, raunte er, neigte sich ein wenig zu ihr hinunter, wobei er respektvoll Abstand hielt, und besah sich das Tattoo. „Aber das wäre die Erklärung!“ Er hob den Blick zu Sara. „Die Kraft unserer Magie schwindet. Doch man sagte uns, dir sei nichts zugestoßen, daher nahmen wir an, dies geschähe aus einem anderen Grund.“ Er streckte ihr die Hand entgegen. „Einen solchen Fluch zu lösen liegt außerhalb meiner Fähigkeiten, daher werde ich dich in die Stadt, zu einem unserer Kundigen bringen müssen. Mein Herr, der Meister des westlichen Zirkels, wird dich empfangen.“

Sara schluckte. Magie. Flüche. Zirkel. Mit noch mehr Fragen im Kopf als zuvor, reichte sie dem Mann ihre Hand. Was hätte sie auch sonst tun sollen?

© Karina Pohlmann 2023-08-23

Genres
Romane & Erzählungen, Science Fiction & Fantasy
Stimmung
Abenteuerlich, Emotional, Mysteriös