(42) Zentnerweise Liebesschlösser

Friedeborg Seitz

von Friedeborg Seitz

Story
Frankfurt

In Frankfurt Nordend-Ost besuche ich die evangelische „Lutherkirche“, die heute eigentlich geschlossen ist, genau wie auf meiner ersten Reise 2017. Doch ich habe Glück, dass gerade ein Gemeindetreffen stattfindet. So komme ich auch als Pilgerin hinein, erhalte einen Stempel und darf auch hier eine Kerze anzünden. Die Freundlichkeit der Damen im Gemeindezentrum erfrischt mein Herz und das Wasser, das man mir anbietet, löscht meinen Durst. Ich kann hier eine der leer gewordenen Flaschen wieder auffüllen. In der Nähe befindet sich der Bethmannpark, der mir wie eine kleine Oase vorkommt. Einst war er im Familienbesitz. Nun erfreut er als Stadtpark die Frankfurter Anrainer und Besucher. Kurzerhand entschließe ich mich, hier eine Pause einzulegen. Als ich drohe einzunicken, stehe ich besser auf. Maddin ist bereits eingeschlafen. Ich finde ihn im Gras liegend neben der Bank, als ich losgehen will. Er muss wohl aus meiner Tasche geplumpst sein.
Nun erreiche ich die Altstadt und bewege mich auf das Mainufer zu. Dort geht es an den drei Pilgerstatuen vom Jakobsweg an der „Leonhardskirche“ vorbei. Ab dort laufe ich ein Stück direkt unten am Main, um über den „Eisernen Steg“ zum Jugendgästehaus zu gelangen. Ich bin davon überzeugt, dass der „Eiserne Steg“ in Kürze zusammenbrechen wird, bei all den metallenen Schlössern, die hier angebracht wurden. Das Ganze wirkt etwas bizarr. Diese Liebesschlösser wuchern wie Efeu entlang jeder nur möglichen Stelle an Brücken, Seitenbefestigungen, Geländer und Gitter, an denen man Schlösser anbringen kann. Und findet man keine Stelle mehr, wird ein Henkel vom nächstbesten Schloss benutzt, um das eigene anzubringen. So wächst diese stählerne bunte Schlingpflanze jedes Jahr um einige Meter. Und so wird eine derart überwucherte Brücke jährlich auch um einige Zentner schwerer. Maddin findet das verrückt und fragt mich, ob ich abschätzen könnte, wie viel Zentner Vorhängeschloss hier schon hängen mögen. Ich habe keine Ahnung. Da sie meinen Weg kreuzt, besuche ich noch die geöffnete „Dreikönigskirche“. Dessen Turm wird derzeit renoviert und ist daher mit einem Gerüst und einer Stoffhülle versehen, das Motiv des Stempels, den ich in der Kirche vorfinde, zeigt eine dreizackige Krone. Das Bild ist treffend gewählt, finden Maddin und ich. Die Wände innerhalb der Kirche sind mit bunten Teppichen behängt: Aktuell gastiert hier eine Teppich-Ausstellung. Zwischen den farbenfrohen afrikanischen Motiven entdecke ich ein Wandbild mit Jesus in einer liebevoll gestalteten Szenerie, die mich sehr anspricht. Ich betrachte dieses Bild noch eine Weile, bevor ich die Kirche wieder verlasse und mein heutiges Domizil ansteuere. Gleich in der Nähe, 5 Minuten von hier, befindet sich die Jugendherberge. Dort checke ich ein und ziehe für Maddin und mich am Automaten neben der Anmeldung eine Tüte bunter dragierter Erdnüsse. Diese schnabulieren wir im Zimmer gemütlich auf der Bettdecke, wobei ich mir das Büchlein mit den kurzen Texten über das Glück hervorhole und darin lese. Während Maddin mir heimlich die restlichen Schoko-Nüsse wegknabbert, lese ich in meinem Buch weiter, bis mein Bruder und ich uns treffen. Ich stecke den Honig in meine kleine Umhängetasche und warte an der Einfahrt zur Jugendherberge um von meinem Bruder zum Abendessen abgeholt zu werden

© Friedeborg Seitz 2023-12-30

Genres
Reise
Stimmung
Abenteuerlich, Herausfordernd, Informativ, Inspirierend, Unbeschwert
Hashtags