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Anja war die ganze Woche nicht in der Schule gewesen. Nach einer Erkältung sah es nicht aus, von sich selbst aus sagte ihre Freundin aber auch nicht, was los war und das nahm Mia ihr übel.

Auf dem Weg zur Schule versuchte sie, von dem Streit mit ihrer Mutter zu erzählen aber Anja schien ihr nicht recht zuzuhören und stattdessen diskutierten sie über den Weg, den sie nehmen sollten. Mia sah keinen Grund, warum sie nicht wie immer an der Reisgar und der Kirche entlang zum Dorfplatz gehen sollten aber Anja wollte lieber die Nordseite nehmen.

„Aber das geht rauf und runter!“, beschwerte sich Mia.

„Gut für die Linie.“, sagte Anja und ging voraus.

Den ganzen Tag wunderte sich Mia, was mit ihrer Freundin vorging und am Nachmittag als sie sich bereits verabschiedet hatten, kehrte Anja nicht zur Hauptstraße zurück, sondern ging zur Brücke über den Fluss und wie sie dort in den Auen verschwand, sah sie Thorsten zwischen den Bäumen stehen und winken und Mia wusste mit einer Intensität, die wie ein schwarzes Loch in ihrem Magen strahlte: Sie hatte ihre Freundin verloren. Mehr noch – ihre Freundin an ihren Bruder und ihren Bruder an die beste Freundin. Beide gehörten nun zueinander und nicht mehr zu ihr und so blieb Mia allein zurück.

Mit der erschlagenen Klarheit einer Aufgegebenen stand Mia auf der Brücke über dem dahin strömenden Fluss und fasste vor Gott und dem ganzen Universum einen Entschluss:

Lieber Gott, mach, dass alle Kinder eine Mama haben, die sie immer lieb hat. Eine Mama soll sich immer um ihr Kind kümmern, und wenn sie es nicht liebhaben kann, dann soll sie keines bekommen. Mach, dass Freunde immer Freunde sind und Geschwister immer Geschwister. Und mach, das Lehrer ihre Schüler verstehen und ihre Arbeiten zu schätzen wisse. Amen.

Auf der anderen Seite von Auweil knallte Kirsten ärgerlich ihre Kautabletten gegen zu viel Magensäure auf den Tresen und suchte Schmerz-durchströmt nach Krebs-Experten im zittaler Alpengebiet um sich eine zweite Meinung einzuholen.