5 – Hausflur

Lou M. Heckhausen

von Lou M. Heckhausen

Story

7:00

Ich hasse den Moment, wenn ich meine Wohnung verlassen muss. Neben dem offensichtlichen Grund, dass ich nicht gerne außerhalb meiner Wohnung bin (ich bin ja nicht mal gerne außerhalb meines Bettes), hat das auch noch einen ganz pragmatischen Grund. Meine Haustür ist schwerfällig. Selbst wenn ich den Schlüssel im Schloss gedreht halte, muss ich sehr fest ziehen, damit sie sich schließen lässt. Ich weiß nicht, ob das Material sich verzogen hat oder ob die Scharniere geölt werden müssen. Alles was ich weiß ist, dass ich sie jedes Mal fast zuknallen muss, damit sie richtig schließt. Mein Vermieter könnte sich vielleicht darum kümmern, aber ich musste ihn Anfang des Jahres schon bitten, etwas wegen dem kaputten Wasserboiler zu tun und ich hatte damals schon das Gefühl, dass er mir die Anfrage übel genommen hatte.

Das Problem mit der Tür ist nur, dass sie andere Leute auf mich aufmerksam macht. Eine Zeit lang musste ich mich fast jeden Morgen bei der jungen Mutter entschuldigen, die mich giftig darüber in Kenntnis setzte, dass ich ihr Kind geweckt hatte. Manchmal bemerkt die alte Dame zwei Stockwerke weiter unten das Geräusch und fängt mich ab. Sie ist eigentlich ganz nett und wahrscheinlich fehlt ihr nur jemand, mit dem sie reden kann. Ich will aber nicht derjenige sein.

Heute passiert weder das Eine noch das Andere. Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht damit rechne und deswegen den Flur so schnell und dabei so leise wie möglich herunter eile. Schon von der Treppe aus sehe ich eine weiße Ecke Papier aus meinem Briefkasten hervorlugen. Ich seufzte leise. Wie lange hatte ich die Post schon liegen lassen? Ich nehme die Umschläge aus dem Metallkasten und gehe schnell wieder hoch. Dabei schaue ich die Post schon mal durch.

Viel ist zum Glück nur Werbung. Die Konditionen meines Bankkontos haben sich geändert. Eine Postkarte ist dabei, von meiner Mutter. Sie war zuletzt in Italien. Muss sehr schön gewesen sein. Als ich mein Handy aus der Hosentasche nehme, um ihr ein Foto der Karte zu schicken, damit sie sieht, dass ihr Urlaubsgruß angekommen ist, sehe ich die Nachrichten im Chat eines guten Freundes – Noah. Wir kennen uns noch aus der Uni. Seit wir arbeiten, sieht man sich seltener, aber wir versuchen trotzdem, regelmäßig Zeit zu finden. Er fragt, ob er heute vorbeikommen darf – es ist ja schon eine Weile her, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. Das ist nicht gut. Normalerweise brauche ich zwei bis vier Tage, um mich auf so ein Treffen vorzubereiten.

Aber wenn ich absage, fragt er mich das nächste Mal bestimmt nicht. Dann lohnt es sich nicht, weil ich nie zu etwas Lust oder Zeit habe. Mir wird schlecht bei der Vorstellung. Also schreibe ich, dass ich kann und mich schon freue (Kuss-Emoji).

© Lou M. Heckhausen 2022-11-02

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