5. Kapitel

Sofya Selmo

von Sofya Selmo

Story

Der Mann starrte angestrengt auf den Boden, auf dem sich sein Schatten abzeichnete. Klar umrandet, scharf von der Umgebung abgehoben.

Es war ein Schatten, einfach nur ein Schatten. Sein Gefährte seit jeher. Harmlos und stimmlos.

Er murmelte etwas. „Was bist du?“ Die Worte hallten in ihm nach. Eine Unart war es mit sich selbst zu sprechen. Eine Unart, die er seit jeher gepflogen hatte. Manchmal fragte er sich, ob er seine Gedanken in Gesellschaft laut ausgesprochen hatte, weil er vergessen hatte, dass er nicht allein war.

Probeweise machte er einen Schritt nach vorne. Alles war, wie es sein sollte. Er ging weiter drei Schritte vor, vier zurück. War da etwas gewesen? Noch einmal. Ein einmaliges Zucken der Schattenhand? Wie in einem Ritual wanderte er immer wieder vor und zurück, vor und zurück. Eine Welle, die immer wieder ans Ufer schwappt, um die Beschaffenheit des Sandes zu mustern.

Einmal starrte er den Schatten direkt an, dann wieder nur aus den Augenwinkeln, dann ignorierte er ihn vollends, um ihm einen plötzlichen Blick zuzuwerfen.

Schließlich verlor er sich in dem Anblick der Mechanik seiner Bewegungen. Seine Beine waren die einer aufgezogenen Puppe. Seine Arme nicht von dem Spieler animiert. Da kam Leben in ihn. Auf dem Boden konnte er es sehen. Er führte nicht mehr nur die immer gleichen Bewegungen aus. Etwas schien in ihm zu pochen.

Da wurde er sich seiner Bewegungen bewusst. Er und sein Abbild, sie passten nicht zusammen. Es war nicht sein Wesen, das dort auf dem Boden tanzte. Es war der schäbige Versuch einer Kopie.

Sein Schatten schien sich zu verändern. Eine Fratze zu schneiden, nur erkennbar durch subtile Änderungen in der Silhouette seines Kopfes. Scheußlich schienen sich auch sein Korpus und seine Gliedmaßen der Änderung zu unterwerfen. Kräftiger zu werden, gespannt zum Angriff, doch gelassen, ob dem sicheren Sieg. Es war nur eine Frage der Zeit. Jede Minute konnte er vorschnellen und seinen Herren am Halse packen. Ihm langsam die Luft aus den Lungen pressen, um den Triumph auszukosten. Im letzten Atemhauch die Verzweiflung seines Opfers schmecken.

© Sofya Selmo 2021-07-23

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