von Margit Harasym
Es ist soweit. Endlich hab´ ich mich durchgerungen, lang hat´s gedauert und jetzt ist er da, der magische Augenblick: Ich höre auf mir die Haare zu färben! Jetzt ist es raus, jetzt hab ich´s gesagt oder – noch ärger – ich habe es hingeschrieben auf den weißen Bildschirm. Was liegt, des pickt, wie die Wienerin zu sagen pflegt. Es gibt kein Zurück.
Immer schon war ich eine Brünette, mal dunkler, mal heller, einmal mehr ins Rötliche gehend, sogar einen kleinen Blond-Ausreißer gab´s einmal. Von Natur aus hellbraun – ich habe mich abschätzig selbst immer gerne als mausbraun bezeichnet – bin ich also 59 Jahre lang als Braunhaarige durch´s Leben spaziert. Die letzten 2 Jahrzehnte nicht nur mehr getönt, wegen der Abwechslung, der Mode oder sonstigem, sondern hauptsächlich, um den bei mir schon recht zeitig auftretenden Grau- und Weißanteil zu überfärben, zu übertünchen, die Illusion zu erzeugen, dass ich nicht so alt sein möge, wie es in meinem Pass steht. Oder warum sonst? „Grau macht alt“, wispern die EinflüsterInnen von rechts – „Weiß steht nur den Winter-Hauttypen!“ orakeln die Möchtegern-VisagistInnen unter meinen Bekannten von links. Damn! Ich bin ein Herbst-Typ, verflixt noch eins. Muss ich jetzt bis zur Einäscherung mein Brünetten-Image wahren?
Wenn ich mich meiner tatsächlichen Haarfarbe ergebe, habe ich dann die Kontrolle über mein Leben verloren? Nix da! Mir dünkt, dass ich mich um einiges freier fühle, seit ich vor kurzem diesen, meinen eigenen Entschluss gefasst habe: Keine ewigen Sitzungen beim Friseur mehr, kein Vermögen für stinkende Farbe ausgeben, nur damit das Ergebnis nach 2 – 3 Wochen sowieso wieder das gleiche ist. Keine Chemie mehr auf meinen Kopf, kein Geld, keine Zeit in dieses Thema investieren. Ich fühle mich tatsächlich ziemlich befreit.
Der Weg dorthin wird allerdings kein leichter sein. Monatelanges Rauswachsen der grau-weißen Haare aus der brünetten Haarpracht hat was Schmuddeliges, Ungepflegtes, Unachtsames, Schlampiges, Nachlässiges. Da werden bis dahin literweise Ansatzsprays, Braun-Shampoos und vielleicht auch die eine oder andere Zornesträne fließen. Vielleicht sollte ich mir ein paar Haarspangen mit der Aufschrift „Das gehört so!“ oder „Ich will das so!“ anschaffen?! Um gleich jedweden Zweifel an einer nicht vorhandenen Schlampigkeit im Keim zu ersticken?! Warum mache ich mir nur so viele Gedanken um das, was andere sich denken könnten? Ich bin ja auch sonst nicht so dem Jugendwahn verfallen? Keine Botox-Lippen oder sonstigen Aufspritzungen, keine Bambi-Lashes, Gel-Nägel oder gefärbte Balken-Brauen und auch sonst ist noch alles echt. Echt halt, nicht unbedingt schöner, aber so ist das eben ..
Bis Herbst muss ich es schaffen, ohne Perücke, Hoodie oder Wollhaube (aaaahhhhhh!!) durch den Sommer zu kommen, dann kommt ein Kurzhaarschnitt, ein paar Strähnen für den Übergang und dann, ja dann schau ich richtig alt aus. Zumindestens so wie es sein sollte mit fast 60. Ich bin gespannt auf diesen Selbstfindungs-Trip, vor dem ich recht viel Respekt, Angst und doch Vorfreude habe. Ich freue mich über eure Anteilnahme, Erlebnisberichte, Erfahrungen mit Salz- und Chlorwasser und beruhigende Worte auf meinem Weg.
© Margit Harasym 2025-04-28