von Anka
Die Dämmerung näherte sich langsam und sanft, damit auch die Kälte. Ich fing an zu zittern. Der Weg stieg weiter vor mir. Ich wollte nicht mehr weitergehen, nicht mehr alleine. Ich ging langsam mit unsicheren Schritte. Ich spürte eine unerklärliche Umwandlung … Ich kam wieder zu mir und mit einer positiven Körpergestaltung ging ich rasch den Hügel abwärts. Und dann kam jemand auf dem Weg…
Ich lebte seit einem Jahr als Zuschauerin meines eigenen Lebens. Das war Neuland für mich und ich fand, als neugierige Kindesseele, die ganze Geschichte sei spannend. Fremd, sehr fremd, als ginge es kaum um mich, gleichzeitig aber doch schmerzhaft und grausam. Dieses Gefühl dein eigenes Leben von Weitem zu betrachten, dich nicht mehr zu erkennen und zu wollen, dich wiederzufinden ist im Grunde eine Identitätsstörung, wie ich viel später erfahren durfte. Aber es hat einen Sinn, denke ich, es spielt eine Schutzrolle. Wenn du dich nicht mehr erkennst, dann geht es nicht mehr direkt um dich und du greifst dich nicht an, du beobachtest nur. In die Stille liegt die Kraft.
Ich hatte schon im Sommer unzählige Motivation-Seminare im Internet angeschaut und einige Fach-Audiobücher zugehört und habe auch verschiedene Sachen selbst probiert. Sehr viele Sachen ausprobiert. Aber es funktioniert alles nicht einfach so. Das begriff ich etwa anderthalb Jahren später, nachdem ich durch neuen Löcher des Lebens durchgesiebt wurde.
Also nun zurück an den Abend von 10. November 2015.
Und dann kam jemand auf dem Weg. Mollig, lange blonde Haare, blaue Augen, lebensmüdes Gesicht, aber fröhliches Lächeln. Die Erscheinung war total unheimlich in der Öde, im Niemandsland, nahe am Dämmerung, so kurz nach meinem verzweifelten Gebet. Ich hätte nie gedacht, ich werde je darüber berichten. Die Frau sah mir sehr ähnlich aus. Ich kam von oben und sie kam von unten, wo ich vor etwa halbe Stunde war. Wir kamen uns unvermeidlich näher und näher, wir begrüßten uns und ich fragte sie: „Wissen Sie wohin diesen Weg führt? Ich war nie hier.“ „Nein, ich war auch nie hier.“ Wir standen voreinander, jede von uns mit den Schultern in die andere Richtung. Es waren dann Sekundentropfen …. Wie einen Augenblick der Erleuchtung würde ich sagen. Wir waren dort zum ersten Mal in unserem Leben, zwei gleichaltrigen und sehr ähnlich aussehenden Frauen, zwei Lebensgeschichten in einem selben Punkt. Wir waren in unseren Gedanken tief versunken, mit grauen Augen und grauen Seelen und als wir uns trafen, kam einen Sonnenschein über uns. Einmalige Szene …. „Und wieso kommen Sie hier, woher kommen Sie eigentlich?“ – fragte sie mich. Da ich sie nicht lange im Stehen anhalten wollte, schlug ich vor, sie zu begleiten, wenn sie einverstanden ist. Und so gingen wir beide, Schulter am Schulter, auf dem öden Weg nach oben. Nach etwa 15 Minuten wusste sie, woher ich kam, kurz geschildert was bei mir alles so passierte und wieso ich an jenem Abend in der Gegen herumlief. Am Ende habe ich ihr auch gesagt, dass ich am nächsten Tag Termin bei AMS hatte und dann fragte ich sie, wieso sie auf diesem Weg ist.
© Anka 2025-05-16