von Silvia Stein
„Dein Ernst? Ich soll in die Sauna? Da darfst Du doch gar nicht filmen! Also jetzt bin ich raus…“ Ich schnaubte vor Wut! Ben erfuhr über den Testamentsvollstrecker immer erst nach einer neuen Veröffentlichung, was meine nächste Aufgabe sein würde. Tante Tina hatte sich oft über mich lustig gemacht, dass ich nicht in die gemischte Sauna ging. Keine Ahnung, warum mir das so unangenehm war, aber ich wollte einfach nicht nackt vor Fremden oder im schlimmsten Fall auch noch Bekannten herumlaufen. Mag sein, dass ich hier ein falsches Bild von mir im Spiegel sah.
Grundsätzlich fand ich mich total ok und wahrscheinlich sogar deutlich besser als den Großteil der Saunagänger… Aber alles sträubte sich in mir. Ich bewunderte das geballte Selbstbewusstsein von unschönen Körpern, denen das augenscheinlich vollkommen egal war. Für mich war das leider ein Ding der Unmöglichkeit. „Keine Sorge, das Ganze läuft auf Vertrauensbasis. Ich gehe davon aus, dass Du das auch durchziehst… und dann erzählst Du vor der Kamera davon.“ Ich grübelte, ob das für mich machbar wäre. Ben lachte mich mal wieder aus. „Hey Emmi, mal ehrlich: Andere geben viel Geld aus für einen tollen Saunatag, und Du bekommst auch noch jede Menge dafür! Wir haben schon wieder einen deutlichen Zuwachs und das Wellnessbad hat uns ein Top Angebot gemacht. Natürlich ziehst Du das durch! Notfalls trinkst Du Dir vorher Mut an.“
Was sollte es. Ich tat wie mir befohlen, nicht ohne strafenden Blick gen Himmel, als ich die Sauna betrat. Ich hatte mir einen Vormittag unter der Woche ausgesucht und war somit von Rentnern umringt. Nervös atmete ich durch, bevor ich mein Handtuch verstaute und wie Gott mich schuf durch das Schwimmbad marschierte. War doch gar nicht so schlimm! Ich versuchte mich an einem selbstbewussten Gesicht, als es passierte: bei den letzten Schritten Richtung Becken rutschte ich aus, landete platschend auf meinem Allerwertesten und schlitterte gen Wasser, wo ich dann mit einer ungeplanten Arschbombe eintauchte. Als ich luftschnappend wieder an die Oberfläche kam, sah ich in einige erleichterte und andere erheiterte Gesichter. Ein älterer Herr sah mich schmunzelnd an und applaudierte dann. Andere Saunagänger stimmten lachend mit ein und ich war froh, meine roten Wangen im Wasser abkühlen zu können. Mit der Geschichte konnte ich anschließend nicht nur Ben sondern auch meine inzwischen umfangreiche Fangemeinde erheitern! Was tat man nicht alles für Fame? Und natürlich für meine geliebte Tante. Ob sie geahnt hatte, welche Ausmaße ihre 10 Herausforderungen für mich annehmen würden?
Abends in meinem Bett dachte ich an Tina. Wo sie jetzt wohl war? Und ob sie mich sehen konnte? „Ich hab´ Dich lieb, Tina!“, flüsterte ich traurig. Mein letzter Gedanke galt allerdings Ben und seinen grünen Augen. Je mehr Zeit wir bei unserem Projekt verbrachten, umso mehr klopfte mein Herz, wenn wir uns sahen. Ich konnte nichts dagegen tun, und eigentlich wollte ich es auch nicht. Ob es ihm genauso ging? Vielleicht sollte ich mal vorsichtig bei seiner Mutter nachforschen. Ich sah mir unser gemeinsames Bild vom TikTok Account an und musste lächeln. „Dich hab´ ich auch lieb“, fügte ich stumm hinzu.
© Silvia Stein 2024-02-24