von Sabine Knauf
Elrik ist es deutlich anzusehen, dass er nicht möchte, wenn ich ihn zu seinen Eltern begleite. Allerdings setzte ich gewissermaßen meinen Willen durch. Zumal ich seine Freundin bin, deswegen finde ich es wichtig, ihn zu unterstützen. Noch dazu hat seine Mama eine schlimme Krankheit diagnostiziert bekommen, und allein deswegen möchte ich Elrik um jeden Preis zur Seite stehen. Immerhin braucht er meine Unterstützung, selbst wenn er das verneint merke ich, wie sehr ihm die Tatsache das seine Mama krank geworden ist belastet. Ich selbst will mir nicht ausmalen, wie schrecklich so etwas sein muss. Solch eine grausame Erfahrung würde ich nicht einmal meinen größten Feind wünschen. „Malea, es reicht, wenn du mich bis hierhin begleitest. Mein Elternhaus ist gleich da vorne.“ Elrik deutete auf ein großes Haus mit einladendem Vorgarten, natürlich ist mir bewusst gewesen, dass er als Sohn eines Unternehmers viel Geld besitzt. Allerdings hätte ich niemals mit solch einem Vermögen gerechnet. Kurzzeitig fehlten mir die richtigen Worte, zum Glück kam ich noch rechtzeitig wieder zu mir. Um die Anspannung meines Freundes ein wenig zu lockern, sagte ich neckisch zu ihm. „Sag mal, schämst du dich für mich?“ Auf der Stelle hob er beschwichtigend seine Hände, weshalb ich kichern musste. Schließlich wollte ich Elrik nur ein wenig necken. Kurz darauf erklärte mir mein Freund, was ihm bedrückt, um ehrlich zu sein, hätte ich nie damit gerechnet. „Ich schäme mich tatsächlich. Aber nicht für dich, immerhin bist du perfekt. Es geht um meinen Vater, er ist ein Tyrann, der nur an sich denkt. Selbst jetzt geht ihn Mamas Krankheit garantiert am Arsch vorbei. Vermutlich steht er schon die ganze Zeit in seinem Arbeitszimmer, glotzt auf die Straße und wartet auf mich. Das tut er schon immer. Ich flehe dich an Malea, versteh mich bitte. Ich möchte dir eine Begegnung mit ihm ersparen, leider macht er, keinen Hehl daraus mir jeden Tag aufs Neue zu sagen was für ein schlechter Umgang du bist. Und dabei weiß mein Vater nicht einmal was für eine tolle Frau ich kennenlernen durfte.“ Elriks Worte machten mich glücklich und traurig zugleich. Immerhin kannte mich sein Vater nicht einmal. Außerdem hasse ich Menschen mit Vorurteilen, deshalb schwor ich mir ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Angetrieben durch meinen Vorsatz, schnappte ich die Hand meines Freundes und zog ihn die Straße entlang. Denn meiner Ansicht nach konnte das Treffen mit seinen Eltern nur halb so schlimm werden. Kaum standen wir vor der Haustür, wurde diese gewaltsam aufgerissen. Vor uns baute sich ein grimmig schauender Mann mit dunkelblonden Haaren und einen Schnauzbart auf, der einen teuren schwarzen Anzug trug. Auf der Stelle hatte ich einen dicken Kloß in meinem Hals, denn ich fühlte mich in seiner Gegenwart wie eine kleine Maus, vor der ein gefährlicher Tiger sitzt. Bevor Elrik die Chance bekam mich vorzustellen, begann der Mann zu brüllen. Obwohl ich stark sein wollte, sammelten sich Tränen in meinen Augen. Da es mir wichtig gewesen ist, dass mein Freund nicht sieht, wie sehr mich die Worte seines Vaters verletzen, drehte ich mich auf der Stelle um und rannte davon. Kaum war ich zu Hause, suchte ich Zuflucht auf meinem Zimmer, endlich konnte ich meinen Gefühlen freien Lauf lassen. Ich frage mich, wie ein Mensch nur so sein kann, schließlich stimmte es, was Elrik sagte. Sein Vater mochte mich nicht, dabei kannte er mich nicht einmal.
© Sabine Knauf 2025-01-28