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EL-Lumiel

von EL-Lumiel

Story

Ich sehe Jacob vor mir stehen, mit Tränen in den Augen. Ich würde ihm am liebsten so viel sagen, aber meine letzten Worte haben mich viel Kraft gekostet. Ich weiß, dass er sie wahr genommen hat und das er mir die Zeit gibt. Trotzdem würde ich am liebsten wieder los plappern wie davor, ich wäre allgemein betrachtet gerne wieder die aufgeschlossene, junge Frau, die ich vorher war. Bis das jedoch soweit ist, muss noch vieles passieren. Vor allem muss, damit alles wieder gut wird, mein Schatten endlich aufhören mich zu verfolgen. Ich will nicht mehr ständig in Angst leben. Das Jacob hier im Krankenhaus bei mir ist, nimmt mir wenigstens ein bisschen Angst. Ich wüsste nicht was passieren würde, wenn ich alleine hier bin und mein Schatten dazu kommen würde, hier aufzutauchen. Ob er sich das trauen würde? Mittlerweile traue ich diesem Mann alles zu. Meine Erinnerungen nehmen immer mehr zu, damit leider auch die schrecklichen Details, die ich dauernd versucht, habe zu unterdrücken, weil sie mich zerstören. Ich hoffe einfach nur das alles bald ein Ende hat, das ich in Ruhe mein Leben leben kann. Dass ich ganz in Ruhe mit Jacob Zeit verbringen kann und wir uns lieben können, ohne Angst haben zu müssen das wieder etwas Schreckliches passiert. 

Jacob sitzt aufmerksam auf dem Stuhl neben mir, hält wieder meine Hand und drückt sie beinahe immer fester, während er den Ärzten zuhört. Eigentlich sollte ich diesen auch zuhören, aber gerade zählt für mich nur das ich wach bin und Jacob bei mir ist. Einzelne Satz-fetzten bekomme ich jedoch mit. Sowas wie „der Zustand hat sich stabilisiert, aber ganz über den Berg sind wir noch nicht“, „erneute Operation“, „ziemlich stark verletzt“ und „glücklich schätzen, dass sie überlebt hat“. Irgendwann werde ich direkt von den Ärzten angesprochen, sie haben bestimmt gemerkt, dass ich nicht aufmerksam zuhören kann, deshalb fassen sie sich kurz mit den Informationen, die ich hören muss. Im Großen und Ganzen sagen sie mir, das ich mich schonen muss, weiterhin aufpassen muss wie ich mich bewege. Wir langsam mit Physiotherapie beginnen, damit ich das Laufen erlerne, da die Nerven in meinem Bein ziemlich geschädigt sind. 

Jacob war die ganze Nacht wieder an meiner Seite. Man kann ihm aus dem Gesicht ablesen, das er überglücklich ist, das ich wach bin. Aber irgendwas bedrückt ihn, das kann ich sehen. Wenn er so nachdenklich in die Luft starrt und bemerkt, dass ich ihn beobachte, versucht er immer ein Lächeln aufzusetzen, als gäbe, es etwas was ich wissen müsste, er aber Angst hat es mir zu sagen. Am Morgen fühle ich mich schon wieder ein wenig stärker. Die Stimme in mir drin sagt mir, das ich endlich meine Verletzungen sehen muss, um alles zu verarbeiten, ich weiß das diese Stimme recht hat, jedoch habe ich Angst. Ich sehe einen Verband um mein Bein. Natürlich ist es „nur“ mein Bein. Für mich jedoch ist es viel mehr. Es ist das Bein, auf welchem ich tätowiert bin. Das Tattoo das ein Geschenk war und zu ehren einer wichtigen Person gestochen wurde. Genau dieses Tattoo spiegelt meinen wunden Punkt wider. Das, womit ich am meisten zerstört werden kann

© EL-Lumiel 2023-08-30

Genres
Romane & Erzählungen, Spannung & Horror
Stimmung
Herausfordernd, Dunkel, Emotional