8: Schmerzhafte Kindheitserinnerungen

Doris Friedrich

von Doris Friedrich

Story

“Natürlich hab ich Angst vor dir! Als du noch klein warst, hast du mich mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Ich sag dir was, das hat so weh getan!”

Viele von uns kennen wahrscheinlich die Erwartung vom Rest der Familie, dankbar zu sein für das Großziehen, die Fürsorge und die vielen schönen Kindheitserinnerungen zu Beginn des Lebens. Eine Dankbarkeit, die man sozusagen sein Leben lang (zumindest solange die Verwandten leben) mit sich herumschleppen muss.

Die Kehrseite der Medaille sind Vorwürfe aufgrund von Handlungen aus seiner Kindheit, was genauso wenig Sinn ergibt. Als Kind ist man leider abhängig von seiner Familie und unter anderem dadurch in seinen Handlungen eingeschränkt. Insbesondere wenn man so jung war, dass man sich nicht an die besagten Handlungen erinnern kann, erhalten die Vorwürfe einen sehr herben Beigeschmack und rufen das kindliche Ausgeliefertsein an die Erwachsenen ins Gedächtnis.

An ein spezielles Erlebnis hat sich meine Großmutter in den letzten Monaten immer wieder erinnert: Als ich noch in den Kindergarten gegangen bin und zu Beginn der Schulzeit, hat mich meine Omi öfter abgeholt und entweder zu meinen Eltern gebracht oder wir sind zum Haus meiner Großeltern in Niederösterreich gefahren. Viele Erinnerungen an diese Zeit habe ich nicht, abgesehen von unserer “traditionellen” Liptauerbrot-Jause in der Bim. Oft sind wir auch mit der U-Bahn gefahren, die zu dieser Uhrzeit meistens recht voll war.

Ich erinnere mich dunkel daran, wie unangenehm es mir manchmal war, in den Öffis am Schoß meiner Omi zu sitzen. Ich erinnere mich auch noch daran, dass meine Omi manchmal recht grob zu mir war. Sei es beim schmerzhaften Haarebürsten, das komischerweise immer nur bei meiner Omi solche Schmerzen hervorgerufen hat, das Alleingelassenwerden nach einem Streit inklusive der Hänseleien der Nachbarn aufgrund meiner panischen Suche nach meiner Omi oder dem typischen Satz “Schäm dich, so was macht man nicht!”.

Obwohl ich meine Omi natürlich liebte, wie Kinder das so tun, schaffte das nicht die besten Voraussetzungen für einen respektvollen Umgang miteinander oder das Aufbauen einer vertrauensvollen Beziehung. Ebenso wurde mir dadurch klargemacht, dass ich kein Recht hatte, Grenzen zu setzen, und dass es für alle unangenehm war, wenn ich meine Bedürfnisse äußerte. So ist vermutlich nicht weiter verwunderlich, wie es zu dem Ereignis in der U-Bahn kam und dass ich mich nicht daran erinnern wollte oder konnte.

© Doris Friedrich 2021-08-15

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